Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung
besorge ich mir neue Sachen, ehe ich zu meinem letzten Kampf in den Trainingsraum gehe. Hoffentlich muss ich gegen Peter antreten.
» Hey, wo hast du denn heute Morgen gesteckt?«, fragt mich Christina. Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich das, was auf der Tafel geschrieben steht, zu entziffern. Neben meinem Namen steht nichts– ich habe noch keinen Gegner.
» Ich bin aufgehalten worden«, antworte ich vage.
Four steht vor der Tafel und schreibt einen Namen neben meinen. Lass es Peter sein, bitte, bitte …
» Geht’s dir gut, Tris?«, fragt Al. » Du wirkst ein bisschen…«
» Ein bisschen was?«
Four tritt einen Schritt von der Tafel zurück. Neben meinem Namen steht jetzt Molly.
Nicht Peter. Aber Molly ist auch gut.
» Gereizt«, beendet Al seinen Satz.
Mein Kampf ist der letzte auf der Liste, das heißt, ich muss drei Kämpfe abwarten, ehe ich ihr gegenüberstehe. Als Vorletzte sind Edward und Peter dran– sehr schön. Edward ist der Einzige, der Peter schlagen kann. Christina wird gegen Al antreten, das bedeutet, Al wird sehr schnell verlieren, so wie er schon die ganze Woche über verloren hat.
» Machs mir nicht zu schwer, ja?«, sagt Al zu Christina.
» Ich kann dir nichts versprechen«, erwidert sie.
Das erste Paar– Will und Myra– steht sich auf dem Kampfplatz gegenüber. Eine Zeit lang tänzeln beide umeinander herum, führen Scheinangriffe mit Armen und Beinen aus. Auf der anderen Seite des Trainingsraums lehnt Four an der Wand und gähnt.
Ich schaue auf die Tafel und versuche, den Ausgang der einzelnen Kämpfe vorauszusagen, was nicht besonders schwierig ist. Dann kaue ich auf meinen Fingernägeln und denke an Molly. Christina hat gegen sie verloren, das heißt, sie ist gut. Sie führt einen kräftigen Schlag, aber ihre Beinarbeit ist schlecht. Wenn sie mich nicht trifft, dann kann sie mich auch nicht verletzen.
Wie erwartet verläuft der nächste Kampf zwischen Christina und Al kurz und schmerzlos. Nach ein paar kräftigen Schlägen ins Gesicht geht Al zu Boden und steht nicht wieder auf, was Eric mit einem Kopfschütteln quittiert.
Edward und Peter brauchen länger. Obwohl sie unsere beiden besten Kämpfer sind, sind sie bemerkenswert unterschiedlich. Edward bearbeitet mit den Fäusten Peters Kinn, und ich erinnere mich daran, was Will von ihm gesagt hat– dass er seit seinem zehnten Lebensjahr Zweikampf trainiert. Man sieht es ihm an. Er ist eindeutig schneller und geschickter als Peter.
Als die drei Kämpfe vorüber sind, habe ich nicht nur meine Fingernägel fast ganz abgekaut, sondern bin auch hungrig. Ohne jemanden eines Blickes zu würdigen, schaue ich stur vor mich hin und betrete den Ring. Meine Wut ist inzwischen etwas verraucht, aber es fällt mir nicht schwer, sie wieder zu entfachen. Ich muss nur daran denken, wie kalt es in dem Raum war und wie laut sie gelacht haben. Schaut sie euch an. Sie ist noch ein Kind.
Molly steht mir schräg gegenüber.
» War das ein Muttermal, was ich auf deiner linken Hinterbacke gesehen habe?«, fragt sie höhnisch. » Mein Gott, bist du blass, Stiff.«
Sie wird den ersten Schlag führen. Das macht sie immer.
Molly kommt auf mich zu und legt ihr ganzes Gewicht in den Schlag. Als ihr Köper nach vorne schnellt, ducke ich mich unter ihrem Arm hinweg und ramme ihr die Faust in den Bauch, direkt oberhalb des Nabels. Ehe sie mich zu fassen kriegt, springe ich zur Seite und nehme wieder die Ausgangsstellung ein.
Inzwischen ist ihr das Grinsen vergangen. Sie walzt auf mich zu, um mich einfach über den Haufen zu rennen, aber ich weiche in letzter Sekunde aus. Im Geiste höre ich die Stimme von Four, der mir gesagt hat, dass mein Ellbogen meine mächtigste Waffe sei. Ich muss nur eine Gelegenheit finden, ihn einzusetzen.
Mit meinem Unterarm wehre ich den nächsten Angriff ab. Der Zusammenstoß tut weh, aber ich bemerke es kaum. Zähneknirschend stößt Molly ein tiefes, fast tierisches Knurren aus. Sie versucht, mir brutal in die Seite zu treten, aber ich weiche dem Tritt aus, und während sie noch ihr Gleichgewicht wiederzufinden sucht, springe ich nach vorn und ramme ihr meinen Ellbogen ins Gesicht. Sie zieht ihren Kopf gerade noch rechtzeitig weg und mein Ellbogen streift ihr Kinn.
Sie boxt mich in die Rippen. Ich taumle zur Seite und ringe nach Luft. Irgendwann muss sie ihre Deckung aufgeben und dann werde ich einen Treffer landen. Ich weiß es. Am liebsten würde ich ihr ins Gesicht schlagen, aber vielleicht ist das nicht die
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