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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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von Aufhören gesagt?«
    Messer klappern wieder gegen das Ziel. Wir alle haben Eric schon mehr als einmal wütend erlebt, aber diesmal ist es anders. In seinem Blick liegt ein beinahe teuflisches Flackern.
    » Es holen?« Al reißt die Augen auf. » Aber alle werfen noch.«
    » Na und?«
    » Ich will nicht getroffen werden.«
    » Ich denke, du kannst getrost davon ausgehen, dass die anderen besser zielen als du.« Eric lächelt leicht, aber sein Blick bleibt grausam. » Hol deine Messer.«
    Für gewöhnlich weigert sich Al nicht, das zu tun, was die Ferox uns sagen. Ich vermute, dass er nicht aus Angst so gefügig ist; er weiß einfach, dass es keinen Sinn hat, sich ihnen zu widersetzen. Aber diesmal reckt er das Kinn vor, diesmal reißt ihm der Geduldsfaden.
    » Nein«, sagt er.
    » Warum nicht?« Eric mustert wachsam Als Gesicht. » Hast du Angst?«
    » Von einem herumfliegenden Messer erstochen zu werden?«, fragt Al. » Ja, das habe ich!«
    Seine Ehrlichkeit ist sein eigentlicher Fehler. Seine Weigerung hätte Eric vielleicht noch hingenommen.
    » Alle aufhören!«, befiehlt Eric.
    Wir alle halten in der Bewegung inne und jegliche Unterhaltung verstummt. Ich umklammere mein kleines Messer noch etwas fester.
    » Macht mal Platz«, sagt Eric und fixiert Al. » Alle bis auf dich.«
    Ich lasse das Messer los, das klappernd auf den Boden fällt, und stelle mich mit den anderen an die Wand. Sie drängeln sich vor mich, sie scheinen geradezu darauf zu brennen, sich das anzuschauen, was mir den Magen umdreht: Al, der Erics Wut ausgeliefert ist.
    » Stell dich vors Ziel«, befiehlt Eric.
    Als große Hände zittern, aber er stellt sich vor die Scheibe.
    » Hey, Four«, ruft Eric über die Schulter. » Hilf mir mal kurz, ja?«
    Four kratzt sich mit der Messerspitze an der Augenbraue und geht zu Eric. Er hat dunkle Ringe unter den Augen und seine Lippen sind zusammengekniffen– die kurze Nacht scheint ihm genauso zuzusetzen wie uns allen.
    » Du wirst da stehen bleiben, während Four die Messer wirft«, sagt Eric zu Al, » und zwar so lange, bist du gelernt hast, nicht mehr mit der Wimper zu zucken.«
    » Ist das wirklich nötig?«, fragt Four. Er klingt gelangweilt, aber er ist es ganz und gar nicht. Seine hellwache Miene und seine körperliche Anspannung verraten ihn.
    Ich balle meine Hände zu Fäusten. Egal wie gleichgültig Four tut, die Frage allein ist schon eine Kampfansage. Und Four fordert Eric nur selten direkt heraus.
    Zuerst starrt Eric Four nur schweigend an. Der hält seinem Blick stand. Die Sekunden verstreichen, während derer meine Fingernägel sich in meine Handflächen bohren.
    » Ich habe hier das Sagen, erinnerst du dich?«, sagt Eric so leise, dass ich ihn kaum verstehen kann. » Hier und überall sonst.«
    Four läuft rot an, doch seine Miene bleibt ausdruckslos. Er umklammert das Messer fester und seine Knöchel sind weiß, als er sich Al zuwendet.
    Ich blicke in Als weit aufgerissene dunkle Augen, dann auf seine zitternden Hände und von dort auf Fours vorgestrecktes Kinn. Die Wut übermannt mich und ich platze damit heraus. » Hört sofort auf!«
    Four dreht und wendet das Messer, mit den Fingern fährt er nervenaufreibend langsam über die Schneide. Er blickt mich so durchdringend an, als wolle er mich zu Stein erstarren lassen. Ich weiß auch, weshalb. Es ist dumm von mir, in Erics Gegenwart den Mund aufzumachen; es ist dumm, dass ich den Mund überhaupt aufmache.
    » Jeder Idiot kann sich vor eine Zielscheibe stellen«, sage ich. » Das beweist gar nichts. Das beweist nur, dass wir uns von dir herumkommandieren lassen. Was, wie ich mich erinnere, ein Zeichen von Feigheit ist.«
    » Dann dürfte es dir ja nichts ausmachen«, sagt Eric, » wenn du seinen Platz einnimmst.«
    Mich vor die Zielscheibe zu stellen, ist so ziemlich das Allerletzte, was ich will, aber jetzt kann ich keinen Rückzieher mehr machen. Diese Möglichkeit habe ich mir selbst verbaut. Ich stakse an den anderen vorbei und irgendjemand schubst mich an der Schulter.
    » Da geht’s dahin, dein hübsches Gesicht«, zischt Peter. » Aber na ja. So hübsch war’s ja noch nie.«
    Ich fange mich wieder und gehe zu Al. Er nickt mir zu. Ich versuche, ihn aufmunternd anzulächeln, aber es gelingt mir nicht. Ich stelle mich vor die Zielscheibe, mein Kopf reicht nicht einmal bis in die Kreismitte, doch das ist egal. Ich blicke wie gebannt auf Fours Messer: Eines hält er in der rechten Hand, zwei in der linken.
    Meine Kehle ist trocken.

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