Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
einen Satz auf Fernando zu, und bricht in schallendes Gelächter aus, als er entsetzt zurückweicht.
Er hat nie auch nur die Möglichkeit angedeutet, dass eine Ken mir ihre Hilfe anbieten könnte, obwohl ich die Mörderin ihres Bruders bin.
Der Angriff ist für heute Nachmittag angesetzt, bevor es zu dunkel ist, um die blauen Armbänder zu erkennen, die zeigen, wer ein Verräter ist und wer nicht. Nachdem wir unsere Planungen abgeschlossen haben, laufen wir durch die Obstplantage zur Lichtung, wo die Trucks der Amite parken. Als ich zwischen den Bäumen hervortrete, entdecke ich Johanna Reyes. Sie sitzt auf der Motorhaube eines Lastwagens, die Zündschlüssel baumeln zwischen ihren Fingern. Hinter ihr warten mehrere Fahrzeuge voller Amite– unter ihnen auch einige Altruan, die mit ihren strengen Frisuren und ihrer stillen Zurückhaltung unschwer zu identifizieren sind. Robert, Susans älterer Bruder, ist auch mit dabei.
Johanna springt von der Motorhaube. Auf der Ladefläche des Trucks sind Kisten gestapelt, die mit ÄPFEL , MEHL und GETREIDE beschriftet sind. Gott sei Dank müssen auf der Ladefläche nur noch zwei Leute Platz finden.
» Hallo, Johanna«, begrüßt Marcus sie.
» Marcus«, sagt sie. » Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn wir euch in die Stadt begleiten.«
» Natürlich nicht«, erwidert er. » Ihr fahrt voraus.«
Johanna reicht Marcus die Schlüssel und klettert auf die Ladefläche eines Lastwagens. Christina steuert auf die Fahrerkabine zu, aber ich gehe in Richtung der Ladefläche. Fernando ist mir dicht auf den Fersen.
» Du willst nicht mit nach vorne kommen?«, fragt Christina. » Und so was nennt sich dann Ferox, oder wie?«
» Ich dachte, ich gehe lieber dahin, wo ich mich wahrscheinlich nicht übergeben muss.«
» Das gehört zum Leben.«
Ich will sie gerade fragen, wie oft sie sich wohl in Zukunft übergeben wird, als der Truck mit einem plötzlichen Ruck anfährt. Ich halte mich an den Seiten fest, um nicht herausgeschleudert zu werden, aber nach ein paar Minuten, als ich mich einigermaßen an das Holpern und Rumpeln gewöhnt habe, lasse ich wieder los. Die anderen Fahrzeuge rollen vor uns her, an der Spitze fährt Johannas Wagen.
Ich fühle mich erstaunlich ruhig. Bis wir den Zaun erreicht haben. Ich hätte erwartet, dass wir wieder auf dieselben Wachposten treffen, die uns schon auf dem Hinweg aufhalten wollten, aber das Tor steht offen und verlassen da. In meiner Brust beginnt ein Zittern und dehnt sich bis in meine Finger aus. Inmitten all dieser Leute, die ich kennengelernt habe, und der Pläne, die wir zusammen auf die Beine gestellt haben, habe ich fast vergessen, dass ich drauf und dran bin, in eine Schlacht zu ziehen, in der ich womöglich mein Leben verlieren werde. Und das, wo ich gerade erst wiederentdeckt habe, dass mein Leben es wert ist, gelebt zu werden.
Die Kolonne fährt langsamer, als wir das Tor passieren, in der Erwartung, dass uns plötzlich jemand in den Weg springt und die Durchfahrt verweigert. Bis auf die Grillen, die in den fernen Bäumen zirpen, und das Brummen der Motoren ist kein Laut zu hören.
» Glaubst du, sie haben schon angefangen?«, frage ich Fernando.
» Vielleicht. Vielleicht auch nicht«, antwortet er. » Jeanine hat viele Spitzel. Bestimmt hat sie Wind davon bekommen, dass etwas gegen sie im Gange ist. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum sie sämtliche Ferox-Truppen zur Verstärkung ins Hauptquartier geholt hat.«
Ich nicke, aber mit meinen Gedanken bin ich längst bei Caleb. Er ist einer dieser Spitzel. Ich frage mich, warum er so felsenfest davon überzeugt ist, dass die Welt da draußen vor uns allen geheim gehalten werden muss, so überzeugt, dass er dafür sogar alle Menschen, die ihm etwas bedeutet haben, verraten hat. Und das für Jeanine, der kein einziger Mensch etwas bedeutet.
» Bist du bei den Ken mal jemandem namens Caleb über den Weg gelaufen?«, frage ich.
» Caleb«, wiederholt Fernando. » Ja, in meiner Initianten-Klasse gab es jemanden, der so hieß. Ein brillanter Kopf, aber er war ein… wie soll ich sagen, ein ziemlicher Oberstreber.« Er zieht eine Grimasse. » Unter den Initianten gab es mehr oder weniger zwei Lager. Da waren zum einen diejenigen, die Jeanine immer an den Lippen hingen. Und dann die anderen, die genau das nicht wollten. Ich habe natürlich zu letzteren gehört. Caleb war einer, der sie angehimmelt hat. Warum fragst du?«
» Ich habe ihn getroffen, als ich dort gefangen war«,
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