Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
haben wir doch leichtes Spiel.«
» Das ist schön und gut, Bob, aber wir können ja wohl kaum alle umbringen«, antwortet eine kalte Stimme.
Meine Nackenhaare stellen sich auf. Diese Stimme würde ich überall wiedererkennen. Sie gehört Eric, einem Anführer der Ferox.
» Wenn keiner mehr übrig ist, dann ist auch niemand mehr da, der später für unseren Wohlstand sorgt«, erklärt Eric. » Wie auch immer, wir sind nicht hier, um Fragen zu stellen.« Er hebt die Stimme. » Die Hälfte von euch in die Aufzüge, die andere Hälfte verteilt sich auf die Treppenhäuser rechts und links. Los jetzt!«
Links von mir liegt eine Pistole. Ich könnte die Augen aufmachen, sie mir schnappen und auf ihn schießen, ehe er überhaupt weiß, wie ihm geschieht. Aber ich kann nicht garantieren, dass ich nicht wieder in Panik verfalle, sobald ich die Waffe berühre.
Ich warte, bis die letzten Schritte hinter einer Fahrstuhltür oder in einem Treppenhaus verklungen sind, bevor ich die Augen aufschlage. Alle in der Eingangshalle scheinen bewusstlos zu sein. Was für ein Gas das auch ist, mit dem sie uns benebelt haben, es löst Simulationen aus, sonst wäre ich hier nicht die Einzige, die noch bei Bewusstsein ist. Ich kann mir keinen Reim darauf machen– es passt so gar nicht zu allem, was ich über Simulationen weiß–, aber ich habe jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken.
Ich nehme mein Messer und stehe auf, ignoriere den stechenden Schmerz in meiner Schulter. Ich laufe zu einer toten Ferox-Verräterin, die in der Nähe der Eingangstüren liegt. Sie ist nicht mehr die Jüngste, ihr schwarzes Haar ist schon von grauen Strähnen durchzogen. Ich versuche, nicht auf die Schusswunde zu achten, aber das matte Licht fällt auf etwas, was wie blanker Knochen aussieht, und ich muss würgen.
Denk nach. Es ist egal, wer sie war, wie sie hieß oder wie alt sie wurde. Einzig ihr blaues Armband zählt. Also werde ich mich nur darauf konzentrieren. Ich fahre mit dem Finger unter den Stoff und ziehe daran, aber er lockert sich nicht. Er scheint an ihrer schwarzen Jacke angenäht zu sein. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auch die Jacke mitzunehmen.
Ich ziehe meine eigene Jacke aus und werfe sie über ihr Gesicht, damit ich sie nicht ansehen muss. Dann öffne ich den Reißverschluss ihrer Jacke und ziehe sie der Frau aus. Erst den linken Arm, dann den rechten. Ich beiße die Zähne aufeinander, als ich die Jacke schließlich unter ihrem schweren Körper hervorzerre.
» Tris!«, ruft jemand. Ich drehe mich um, in der einen Hand die Jacke, in der anderen das Messer. Dann stecke ich das Messer wieder weg– die Ferox hatten keine Messer dabei, als sie hereingestürmt sind, und ich will keinen Verdacht erregen.
Hinter mir steht Uriah.
» Auch ein Unbestimmter?«, frage ich ihn. Jetzt ist nicht der richtige Augenblick, sich darüber zu wundern.
» Ja«, antwortet er knapp.
» Nimm dir eine Jacke«, sage ich.
Er kniet sich neben einen Ferox-Verräter, der noch sehr jung ist, nicht einmal alt genug, um ein richtiges Mitglied der Ferox zu sein. Beim Anblick seines bleichen, leblosen Gesichts zucke ich unwillkürlich zusammen. Ein so junger Mensch sollte nicht tot sein, sollte gar nicht erst hier sein.
Mein Gesicht brennt vor Zorn. Ich werfe mir die Jacke der Frau über die Schultern. Auch Uriah zieht seine Jacke an, seine Lippen sind zusammengepresst.
» Die hier sind die einzigen Toten«, sagt er leise. » Kommt dir das nicht auch merkwürdig vor?«
» Ihnen muss klar gewesen sein, dass wir auf sie schießen würden, aber sie sind trotzdem gekommen«, sage ich. » Aber das können wir später klären. Jetzt müssen wir erst mal nach oben.«
» Nach oben? Warum?«, fragt er. » Wir sollten so schnell wie möglich verschwinden.«
» Du willst abhauen, bevor du weißt, was hier eigentlich los ist?«, frage ich grimmig. » Die anderen Ferox da oben wissen nicht, wie ihnen geschieht– wir können nicht einfach weg!«
» Und wenn uns jemand erkennt?«
Ich zucke mit den Schultern. » Hoffen wir, dass es nicht so ist.«
Ich renne in Richtung Treppenhaus und er folgt mir. Als ich meinen Fuß auf die erste Stufe setze, frage ich mich, was um Himmels willen ich eigentlich vorhabe. In diesem Gebäude müssen noch mehr Unbestimmte sein, aber vielleicht wissen sie überhaupt nicht, dass sie unbestimmt sind. Vielleicht ist ihnen nicht klar, dass sie sich verstecken müssen. Und was verspreche ich mir eigentlich davon, dass ich mich Hals
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