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Die Besucher

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Titel: Die Besucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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Katja...«

    Emilia seufzte. Mehr als diese unsinnige Veränderung ihres Namens wurmte sie jenes fremde und doch so bekannte Gesicht, das sie aus dem Foto des neuen Ausweises anstarrte. Sie erkannte zwar ihre Augen, aber in dem Foto schienen sie dunkler geworden zu sein. Das Haar der schwarzen Perücke aus einem ihr unbekannten Material hing bis auf die Schultern herab. Die Augenbrauen waren anscheinend ausrasiert und mit einem schwarzen Stift nachgezogen; die Lippen mit Lippenstift betont. Unter dem falschen Haar hingen goldene Schmuckstücke von den Ohrläppchen herab.

    »Wer soll das sein? Vielleicht ich?«

    »Nicht Sie, sondern jene Katja, die Sie von nun an sein werden. Vorläufig ist dies nur Ihr Bild, wie es der Computer ermittelt hat. Eine Variante zum Thema Emilia.« Der Akademiker versuchte die Tiersprachenforscherin in väterlichem Tone zu trösten: »Sie werden schön sein, allerdings ein wenig anders als jetzt. Die Frauen jener Zeit waren überaus zart und schön.«

    »Ich will aber ich bleiben! Ich will ich sein!« »Das werden Sie immer bleiben, wenigstens für uns«, tröstete sie galant Doktor Jacques Michell (nunmehr Michael Noll), wie sein Ausweis behauptete: Geodät und Landvermesser eines Straßen- und Autobahnbaubetriebs. Die langbeinige Katja gefiel ihm. Schließlich sah er sie vor sich, während er über das Aussehen der Frauen aus dem Jahre 1984 nur Vermutungen anstellen konnte. »Ich werde Sie also Katja nennen, aber im Geiste werde ich mir immer sagen, daß ich Emilia vor mir habe.«

    »Ich verstehe allerdings nicht, warum ZD ausgerechnet Sie ausgesucht hat...« murrte der Akademiker, der immer noch nicht vergessen hatte, daß Emilia (nunmehr also Katja), als sie noch seine Hörerin war, ein Kaninchen in den Hörsaal mitgebracht hatte. »Ich darf hoffen, daß unsere künftige Zusammenarbeit...die nicht immer leicht sein dürfte...Bitte mir zu folgen, verehrte Freunde!...Unsere erste Aufgabe lautet, uns jener Umwelt anzupassen, in die wir uns nun versetzen werden. Deshalb wurde auch gerade dieses Geburtshaus Adam Bernaus als Schulungszentrum gewählt...« Der Akademiker schaltete das Licht um.

    Diesmal klappte es. »Wesentlich ist die Orientierung im Raum. Wir müssen es erlernen, uns in diesem Haus auch mit verbundenen Augen zu bewegen. Wenn uns zum Beispiel jemand in der Nacht aus dem Schlaf weckt, müssen wir wissen, daß gerade hier, wo wir jetzt stehen, am Tage des elften Geburtstags Adams, die Diele war. Rechts die Küche. Dort die Frühstücksecke. Während unserer Ausbildung wird Leo Kane dort schlafen.« Philipp errötete. »Diese Namen! Verzeihen Sie! Diese neuen Namen beirren mich noch manchmal, aber es ist wohl klar, daß ich Karas sagen wollte. Diese Türen wurden damals durch den Druck auf einen kleinen, waagrechten Hebel geöffnet, der etwa in der Mitte dieses weißen, auf der kurzen Kante stehenden Rechtecks angebracht war. Es gab damals noch keine Automatik. Ein leichter Druck auf diesen Hebel oder ein Zug in jener Richtung, in der wir eintreten oder aus der Türe treten wollen.« Der Akademiker drückte die Klinke. Er öffnete und schloß die Türe zweimal hintereinander und, zwei Schritte vor den verwunderten Expeditionsmitgliedern stehend, teilte er ihnen wie ein Fremdenführer einer Burg oder eines Schloßes mit: »Es ist sehr einfach. Das werden wir später noch einüben. Jetzt wollen wir aber ins obere Stockwerk gehen. Aufgepaßt! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir auf eine unliebsame Überraschung gefaßt sein müssen: Die Treppe ist nämlich unbeweglich und fest in den Raum eingebaut. Es gab zwar um die Wende des zwanzigsten Jahrhunderts bereits Rolltreppen, sie waren damals sogar schon allgemein üblich, wurden aber zum Großteil nur in öffentlichen Bauten...«

    »...wie zum Beispiel in der U-Bahn, in Ministerien, Kaufhäusern, Bahnhöfen und Unterführungen eingebaut...«, ergänzte Katja die Worte des Akademikers, da sie sich plötzlich an seine Vorlesungen an der Uni erinnerte. Dabei fiel ihr auch sein beliebtes Wort ein: »...so daß...«

    »So daß Sie wissen sollten...«, setzte der Akademiker in der Tat seine Rede fort, indem er zwei weitere Türen im Oberstock (eine größere und eine ganz kleine) öffnete. Die Kenntnisse seiner ehemaligen Hörerin Emilia hatten ihn erfreut. »...wissen sollten, daß dies hier das Badezimmer und...« Die kleinere Tür öffnete er nur einen Spalt weit und schlug sie sogleich wieder heftig zu: »Das hier werde

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