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Die Besucher

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Titel: Die Besucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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zertrümmerten Schuppen, während er selbst Wunder, Zaubereien und seinen funkensprühenden Hund gesehen hatte.

    »Sie werden sich noch einmal daran erinnern, was ich Ihnen gesagt habe. Ufos waren es wohl kaum...aber vielleicht kamen sie aus der Sternenwelt...«

    Das hellblaue Auto raste um diese Zeit bereits mit dreihundert Sachen durch die Kurven der im Bau befindlichen Straße zu Tal. Die Automatik war eingeschaltet. Katja umarmte den Doktor Noll. Karas die Katja. Der Akademiker den Karas.

    »Zwanzig Prozent Energie für den Notfall haben wir verbraucht, und die bei uns haben zwei Drittel errechnet. ZD soll uns den Buckel runterrutschen! Wir waren einfach großartig!«

    »Sie weniger«, warf Karas dem Philipp vor. »Sie waren doch als einziger gegen den Raumsprung.«

    »Keineswegs. Ich wollte nur die Ansicht des Weltrats hören.« Es gab aber gewisse Dinge, die der Akademiker nicht hören wollte. »Ist es nicht schön hier! Sehen Sie, dort weiden Schafe! Seltsam, nicht wahr? Typische Schafzuchtgegenden waren im zwanzigsten Jahrhundert doch die Lüneburger Heide, die Mährische Walachei und Australien. Daß man aber auch hier...« »Wo sehen Sie Schafe? Schafe haben ein wolliges Fell...« Begleitet von dem Geläute der Kuhglocken, zog eine Rinderherde zu Tal. Unterwegs rupften die Tiere des spärliche Gras. Die Zoolinguistin Katja dokumentierte sie dabei. »Das sind Kühe!«

    »Vielleicht eine Zwergrasse aus dem Tiefland«, mußte der Akademiker zugeben. »Schafskühe...aber es ist wirklich schön hier.«

    Seine Befürchtungen vor dem Raumsprung hatte er längst vergessen. Das zwanzigste Jahrhundert, das er als Zeitalter Adam Bernaus so liebte, begrüßte ihn mit blühenden Hängen, dem Duft frisch gemähten Heus, dem Summen der Bienen und dem Gesang der Vögel. Durch das offene Autofenster strömte Honigduft.

    »Warum sollten wir uns beeilen? Sobald wir das erste Heft gefunden haben, können wir überlegen, was dann zu tun ist. Stellen wir uns mal vor, wir unternehmen, sagen wir einmal für zwei Stunden, eine Fahrt durch die Vergangenheit, verbunden mit einer Besichtigung der Schule von Kamenice, der Krucenburg...«

    »Wir sind nicht auf einem Ausflug.« Doktor Noll zog unter den Sitzen die Feuerwehruniformen und Helme hervor. »Wir fahren zu einem Brand. Haben alle ihre Flammenschutzsprühdosen?«

    »Trotz aller Hast müssen wir doch nicht mit geschlossenen Augen durch die Landschaft fahren«, meinte der Akademiker, indem er den mit Gold verzierten Helm eines Feuerwehrhauptmanns aufsetzte. Er neigte sich aus dem Fenster und winkte einer Kinderschar zu, die im vorgewärmten, blauen Wasser eines Planschbeckens umhertollte. Ein steiler Hang war mit seltsamen Bungalows, Wohnhütten mit Veranden und bunten Sonnenschirmen bedeckt. Halbnackte, dickliche Männer spalteten Holz, strichen Zäune oder mauerten an Schornsteinen. Halbnackte, dickliche Frauen mähten mit lärmenden Maschinen den Rasen. Philipp war von diesem Anblick gerührt. »Beachten Sie, bitte, wie diese armen Menschen sich abschinden! Nackt und barfuß! Offenbar die letzten Armen des Dorfes. Es ist etwas anderes zu lesen, wie das alles einmal war, als es mit eigenen Augen zu sehen.«

    Im Zentrum der Wochenendsiedlung verlangsamte das Niva-Gefährt seine Fahrt. Die Sensoren der automatischen Lenkung, die das Gelände der Landstraße abtasteten und den Wagen auf der rechten Straßenseite hielten, ertasteten eine Wegkreuzung. Am Armaturenbrett flackerte ein Licht. Eine metallische Stimme meldete sich:

    »Zugelassene Höchstgeschwindigkeit weiterhin neunzig Stundenkilometer. Vorsicht! Wir nähern uns einer Straße mit Vorfahrtsrecht. Nach Kamenice geht es rechts. Farbveränderung des Wagens ist zu erwägen. Kennzeichen...« Seufzend schaltete Karas die Automatik ab und griff zum Steuer. Die Behausungen der Armen des Dorfes fand er interessant. Als Leiter des Technischen Museums der Vergangenheit würdigte er besonders die Dachantennen, das Gewirr der UKW-Antennen, die Gartenschaukeln und Gartengrillgeräte. Rotierende Sprenganlagen versprühten eine Wolke von nebligem Tau über die Blumenbeete.

    »Eine seltsame Zeit..., wenn man bedenkt, daß die Menschen es damals noch nicht gelernt hatten, das Wetter zu beherrschen...Die Ära der Hydroponie begann erst im einundzwanzigsten Jahrhundert...«

    Dann verstummte er. Er umklammerte das Steuer noch fester und glitt mit angehaltenem Atem in eine Lücke im Strom der Autos auf der Hauptstrecke.

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