Die Besucher
Toiletten. Auf der andern Seite des Ganges, das Hotelbüro und die Wohnung des Hotelleiters. Das zweite Stockwerk, wo vermutlich das weitere Hotelpersonal untergebracht ist, muß uns vorläufig nicht interessieren, ebensowenig wie das Erdgeschoß. Der Operationsraum der Aktion ist unser Stockwerk. Wesentlich wird es sein, eine genaue Übersicht über alles zu haben, was hier vorgeht. Das wird Ihre Aufgabe sein, Karas! Zusehen, ohne selbst gesehen zu werden! Dasstelle ich mir etwa so vor: Das Auge 1 mit der Spiegelübertragung befestigen wir so hoch wie möglich über der Badezimmertür, so daß wir den ganzen Gang bis zur Treppe aus der Vogelschau überblicken können. Über der Treppe, mit Blickrichtung auf die Zimmer 1 und 2 der Bernaus, bringen wir das Auge 2 an. Einstellwinkel einhundertachtzig Grad, so daß wir darüber Bescheid wissen, wer aus den Zimmern 1 und 2 kommt...«
»So weit, so gut, allerdings...«
»Allerdings was?«
»Sehen Sie doch selbst!« Karas zog einen Behälter aus weichem Leder aus der Reisetasche. Er erinnerte an eine samtgefütterte Schmuckschatulle. »Wie selbst ein Kind mit technischer Grundbildung versteht, ist diese Nadel mit der Nummer 3 ein Bild- und Tonempfänger.«
Der Techniker nahm die Nadel behutsam aus dem Behälter und befestigte sie am Spiegel über dem Waschbecken. Eine leichte Berührung, und sie war eingeschaltet. Die Spiegelfläche begann blau zu funkeln.
»Es bleiben uns zwei Hundertzwanzigersender mit Fixfokusobjektiv. Mehr hat man uns nicht mitgegeben. Wenn Sie einstellbare Spezialgeräte mit einem Einsteilwinkel von 180 Grad wollten, hätten Sie Krach schlagen sollen.«
»Das bedeutet also?«
»Daß ich es versuchen will. Aber versprechen kann ich nichts. Übrigens hab ich Hunger und mit leerem Magen kann man schwer arbeiten.«
»Wie wär’s mit Amaronen?« schlug Katja vor, indem sie die Hausfrau spielte und Tuben mit der Perlweiß-Zahnpasta und dem Elida-Rasierkrem auf den Koffern ausbreitete. »Oder Zitropom?«
»Gibt es kein Amaronengelee?«
»Doch. Mit Schinkenaroma.«
»Das laß ich mir nicht zweimal sagen!«
Nunmehr beruhigt, betrat Karas den Gang. Nachdem er sich behutsam umgesehen hatte, ging er, ein Liedchen pfeifend, aufs Bad zu.
»Etwa so?« fragte er, nachdem er das Auge 1 über der Badezimmertür befestigt und versuchsweise Ton und Bild eingeschaltet hatte. »Kontrolle! Melden!«
Am Spiegel im Hotelzimmer erschien das schräge Bild des Ganges.
»Ginge es nicht ein wenig höher? Und in Aufsicht? Wir sehen nur die Gangdecke und den oberen Teil der Zimmertüren!«
»Und jetzt?«
»In Ordnung! Der ganze Gang!« Die bewundernswerte Spionagetechnik der Vergangenheit versetzte den Akademiker in Begeisterung. »Großartig, Karas! Jetzt würde ich das Ding nicht mehr bewegen!«
»Tu’ ich auch nicht. Jetzt werden Sie auch mich sehen! Ich mach’ hier Schluß und geh’ weiter.« Karas erschien in der Tat im Bild, als er durch den Gang schritt und sich den Bernauschen Zimmern näherte. »Es scheint, wir müssen nur ein wenig zaubern, damit wir auch mit dem Bildwinkel 120 auskommen. Aufgepaßt! Ich bin an der Treppe! Kontrolle zwei!«
»Wir folgen Ihnen!«
»Und?«
»Bis jetzt sehen wir nur die Treppe. Versuchen Sie, die Türen von Zimmer 1 und 2 ins Bild zu bekommen! Wir müssen jeden Schritt Adams kennen!«
Das Bild bewegte sich.
»Was jetzt?«
»Pfui!«
»Warum sagen Sie pfui!?«
»Das galt nicht Ihnen«, flüsterte Katja, nachdem sie aus einer der Tuben eine weiße Masse auf die vorbereiteten Teller gepreßt hatte. Dann spritzte sie eine schäumende Flüssigkeit aus einem Fläschchen hinzu, und hielt die Hände schützend über den schnell wachsenden Berg des Gelees. »Diese Bettfedern fallen mir in die Amaronen. Und Sie, Doktor? Auch Gelee oder Zitropom?«
»Nichts«, Doktor Noll wandte dem abwechselnd scharf und wieder unscharf werdenden Spiegelbild den Rücken zu und ging zum Fenster, um die restlichen Federn hinauszuwerfen. »Halten Sie fest, daß ich nicht einverstanden bin! Die Federn beseitige ich, möchte aber nicht mit dabei sein, wenn Sie mit Hilfe ungesetzlicher Mittel in die Privatsphäre nichtsahnender Hotelbewohner eindringen.« Plötzlich stutzte er. Hoch über dem Marktplatz, auf dem immer mehr Schaukeln, Karussells und Verkaufsstände aufgebaut wurden, schwebte, vor dem Hintergrund des blauen Himmels, eine Fliegende Untertasse des Twisters. Darin saß jener breitschultrige Mann in dem
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