Die Besucher
verunsichert, denn das Genie, das bereits die Schule betreten hatte, drehte sich im gleichen Augenblick um und rannte, von einem Pfiff angelockt, einer Gruppe von Knaben nach, die mit einem Fußball in einer Seitengasse verschwanden. »Katja! Abhorchen! Das Auge im Schuh anpeilen!«
Der rechte Rückspiegel des Niva drehte sich, bis Adam und die Jungen im Bild erschienen.
»Trainieren können wir am Nachmittag«, sagte Adam und schob zögernd den Ball vom rechten zum linken Fuß. »Mach keinen Quatsch, Worel!«
»Am Nachmittag ist es mit dem Training Essig...Dann sind die Großen da...Jetzt ist der Platz frei...«
»Aber...«
»Wie du willst...Ersatzspieler haben wir genug, und wenn wir dich in der Mannschaft für das Meisterschaftsspiel aufstellen sollen...« Der Spieler Worel dribbelte ihm den Ball ab und spielte ihn mit einem langen Paß quer über die Straße dem Verteidiger Bedna zu. »Mensch, Adam! Köpfchen! Wenn es bei uns gebrannt hätte, ging ich ein Jahr lang nicht in die Schule...«
»Na schön. Wartet auf mich!«
Die Schultasche des Genies verschwand wiederum in einem Versteck, diesmal in den Betonringen zwischen den Fertigbauteilen einer im Bau befindlichen Garage.
»Aber ich spiel’ im Sturm!«
Der Akademiker erblaßte.
»Fahren Sie ihm nach! Er muß in die Schule! Selbst wenn ich ihn hinschaffen müßte...«
Zum Glück griff nun das Schicksal in der Person der Turnlehrerin Frau John ein. Erfreut Adam zu sehen, legte sie dem seiner Mannschaft nacheilenden Jungen den Arm um die Schultern:
»Na, jetzt geht’s wieder zur Schule, gelt? Ich hab gehört, was dich getroffen hat. Aber Kopf hoch! Das Leben geht weiter, Bernau! Euer Haus ist abgebrannt, und bei mir ist wieder der Fernseher kaputt. Bestell deinem Vater, daß die Zeilen durchfallen. Er soll mal vorbeikommen...«
»Jawohl, gern.«
Der Akademiker atmete erlöst auf. Die »Erinnerungen« logen nicht. Von der Lehrerin mitgeschleppt, blickte Adam sich verzweifelt noch einmal nach seinen Kickerfreunden um, bevor er im Schulgebäude verschwand.
Das hellblaue Auto hielt unauffällig, nahe der Schule an der Straßenecke.
Philipp eilte Adam zur Schule nach.
»Merken Sie sich!« brummte er in den blinkenden Bleistift, nachdem er unter den vielen Kindern endlich Adam entdeckt hatte, als dieser eine Schulklasse betrat. »Erdgeschoß! Klasse Fünf A...dritte Bank...«
»Klasse Fünf A, dritte Bank am Fenster? Herr Worel, nicht wahr...?« fragte nahezu bedauernd der Schulleiter, der mit dem Akademiker vor der Türe des Konferenzzimmers zusammengestoßen war. Er kramte seine Notizbücher aus der Tasche. »Da bedaure ich Sie aber, so etwas im Hause zu haben...Worel? Worel...? Wenn ich davon absehe, daß Ihr Sohn schon zweimal sitzengeblieben ist, und daß Sie vor einem Monat die Rechnung des Malers begleichen mußten, da die Schulklasse wegen Ihres Sohnes frisch gestrichen werden mußte...Und jetzt auch noch dieses Fenster, das er zerschlagen hat, und das Sie wohl holen wollen...obwohl ich nicht gerade sagen kann, daß Sie schnell gekommen sind...allein bei mir hat Ihr Sohn drei Ungenügend...Jawohl, alle beschweren sich...Da, sehen Sie! Die Kolleginnen Fischer und Krause, selbst die Frau John, die in der Fünf A den Turnunterricht leitet, obwohl sie sich sonst auf dem Kopf herumtanzen läßt...« Man kann wohl sagen, daß den Akademiker, der irrtümlich für den Vater des Schülers Worel angesehen wurde, die Ungenügend im Notizbuch des Schulleiters nicht erschütterten. Im Interesse der Weltgeschichte entschloß er sich jedoch, die günstige Gelegenheit zu nutzen: »Und der Große Lehrmeister Doktor Drichlik?« »Drichlik?«
Dieser Name hatte den Schulleiter offenbar verwundert. »Den kenne ich nicht, obwohl ich hier bereits seit zwölf Jahren unterrichte. Vielleicht früher einmal, zu Zeiten des Studienrats Fahmann, aber der ist schon längst pensioniert. Meinen Sie vielleicht diesen Drábek? Der ist allerdings eher so ein Kleiner, nicht ein Großer...« »Nein, nein!« Die Geschichte der Schule kannte der Akademiker aus den Chroniken des Städtchens Kamenice, die erhalten geblieben waren, haargenau. »Zu Fahmanns Zeiten war das nicht, obwohl Matthias Fahmann zweifellos eine große Erscheinung der Geschichte dieses Instituts war. In den Jahren seines Wirkens wurde hier aus einer ursprünglich armseligen, bloß zweiklassigen Grundschule in der heutigen Krankenhausstraße — sie hieß damals noch Spitalsgasse — eine
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