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Die Besucher

Die Besucher

Titel: Die Besucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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leuchtete jetzt das rote Licht eines seltsamen, magischen Dreiecks auf. Sekundenlang vergaß er, wo er war und wo er fuhr, weil ganz plötzlich auch der Himmel über ihm in einem grellen Licht erstrahlte. Von den Sternen flog, wie eine Sternschnuppe, ein unbekannter, phosphoreszierender Gegenstand zur Erde herab. Er fiel auf die Teichfläche. Das war das letzte, was er sah, denn gleich darauf flog er kopfüber über die Lenkstange seines Fahrrads, das vom Ufer ins Wasser stürzte, in den Teich. Einmal, zweimal, tauchte, im Kampf gegen das nasse Element, das ihm fremd war, sein Kopf aus dem Wasser. Er spie Wasser und ruderte mit den Armen, um sich jenen geheimnisvollen Stimmen und dem Kahn zu nähern, der wie eine Geistererscheinung aus dem Nebel und Dunkel auf tauchte.

    »Oh, oh, oh!« stöhnte der Große Lehrmeister.

    »Expedition Hoffnung«, sagte Katja. »Die Besucher rufen ZD! Wir bestätigen den Geldempfang.«

    Plötzlich verstummte sie, weil sie die Verzweiflungsrufe vom Teichufer aufgestört hatten.

    »Hilfeee!...Ein Meeensch ertrinkt!...Hierher!«

    Auch die Männer an Bord des Kahns, die eben das phosphoreszierende Paket an Bord holten, wurden unruhig.

    »Ausglühen! Dort ruft jemand um Hilfe!«

    In dem Chaos, bei dem der Doktor um ein Haar das erlöschende Dreieck mit dem Ruder ins Wasser gestoßen hätte, nahm der Kahn der Besucher schwankend Kurs aufs Ufer und auf den abwechselnd auf- und untertauchenden Kopf des Alten. Mit letzter Kraft hielt er sich an einem Ruder und an den ihm entgegengestreckten Händen fest:

    »Hierher! Nehmen Sie schon!«

    Im Nu war er wieder untergetaucht. Diesmal nahm er den Akademiker mit, weil der Kahn aus dem Gleichgewicht geriet und kenterte. Das Paket war zerrissen. An der Teichoberfläche tauchten Banknoten auf.

    »Seid ihr alle da?« rief Karas. »Das Dreieck hab’ ich! Katja, dein Haar!«

    »Das Geld!«

    Sie fischten es aus dem Teich und patschten es mit der flachen Hand auf den Kiel des Kahns. Den pitschnassen Besuchern half dabei jetzt auch der Alte, nachdem ihn Katja aus der Tiefe gezogen hatte.

    »Der Große Lehrmeister!«

    »Jemanden zu verulken, dafür sind Sie immer zu haben!« murrte der Große Lehrmeister des Genies. Bevor er in Ohnmacht fiel, konnte er gerade noch sagen: »So macht doch endlich was! Da ist mein Fahrrad im Teich!«

44. Die Stunde der Wahrheit

    »Blutdruck einhundertzwanzig zu achtzig. Erythrozyten etwa 5 Millionen. Leukozyten achttausendachthundert, davon siebzig Prozent neutrophil. PH-Faktor schwach alkalisch, sieben Komma vier. Warum dieser Mann die paar Stunden, die ihm noch bleiben, nicht überleben sollte, weiß ich nicht. Es geht ihm sogar großartig. Wer wird mit ihm über die Bernausche Kurve und über die Theorie des Zeitsprungs reden?«

    »Niemand.« Den nackten Akademiker, der dem Arzt bei der Untersuchung des alten Drichlik assistierte, als dieser gerade zu Bewußtsein kam, beunruhigte selbst der Gedanke an eine mögliche wissenschaftliche Diskussion. »Es ist zwar der Große Lehrmeister, aber trotzdem keine Fragen! Auch nicht zur Sache des Zeit-Raums!«

    »Und wenn er selbst danach fragen sollte?«

    »Er weiß nichts. Alles war Zufall. Eine schöne Nacht. Sterne. Mondenschein. Wir fuhren ins Grüne und fanden zwischen den Uferweiden einen Kahn. Wir rudern, sprechen von unseren Vermessungen, von der Arbeit, und plötzlich hören wir...Da ertrinkt ja jemand...«

    »Vorsicht! Der Mann erwacht!«

    Das kahlköpfige Mädchen, das sich über den alten Drichlik beugte, setzte schnell das Haar auf und sagte:

    »Eine schöne Nacht, nicht wahr?«

    »Für mein Zipperlein«, röchelte der Alte und tastete um sich. Zu seiner Überraschung stellte er fest, daß er in seiner Hütte und in seinem eigenen Bett lag. »Na sowas? Wie habt ihr mich hierher geschafft? Das müßt ihr mir erklären!«

    »Pudelnaß, Herr Drichlik. In Ihrer Jacke steckte Ihr Ausweis mit dem Wohnort, und in der Hose waren Ihre Schlüssel«, antwortete der Chefgeometer. Er hatte den gestreiften Hausrock des Alten angezogen, während Katja das Sonntagshemd Drichliks trug, und Karas mit dessen Trainingshose bekleidet war.

    »Wir wollen hier nur ein wenig trocknen und dann in unser Hotel zurückkehren. Sie haben Glück gehabt. Sterne am Himmel. Mondschein. Wir machen eine Kahnfahrt, sprechen von unserer Arbeit, wie die Vermessungsarbeiten vorangehen und...«

    »Wie wär’s mit einem heißen Tee?« Der Alte hörte nicht mehr zu. Er verließ das Bett, um

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