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Die Bettelmoenche aus Atlantis

Titel: Die Bettelmoenche aus Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Ein Gärtner wäre in Ohnmacht gefallen.
    »Hm«, meinte Tarzan. »Einen Rechen hat Ralf offenbar noch nie angefasst.«
    »Seine Mutter aber auch nicht«, stellte Klößchen fest. »Wie gehen wir vor?«, fragte Gaby.
    »Gradlinig.« Tarzan schob sein Rad zum Zaun. »Ohne Umschweife. Das ist immer das Beste.«
    Sie sicherten ihre Drahtesel mit dem Kabelschloss. Gaby nahm den hechelnden Oskar ganz kurz an die Leine.
    Ein Steinplattenweg führte zum Haus. Aber die Platten waren brüchig und von Moos überwuchert. Auf dem Rasen lagen Papierabfälle und metallene Kronenkorken.
    Sauwirtschaft!, dachte Tarzan. Ein Jammer, dass ein so schönes Grundstück verkommt.
    Er klingelte.
    Klößchen war ziemlich verschwitzt und rieb sich mit dem Taschentuch übers Gesicht.
    Als sich die Tür öffnete, hatte Tarzan keine Schritte gehört. Sie wurde langsam bewegt, wie von Geisterhand.
    Dann erst sah er die Frau, weil sie sehr weit rechts stand und sich an die Wand stützte.
    »Guten Tag!«, sagte Tarzan. »Wir möchten zu Frau Müller.«
    »Das... bin ich«, kam die Antwort.
    Sie sah die drei Kinder an, legte den Kopf schief und lächelte. Beinahe wäre ihr dabei die Zigarette aus dem Mundwinkel gerutscht. Sie brannte noch nicht, die Zigarette.

     
    Frau Müller war verhältnismäßig jung, hellblond und sehr schmal. Sie trug ein enges, lachsrotes Hauskleid. Es reichte bis zum Boden und sah wie Seide aus. Es hatte einen tiefen Ausschnitt. Ihr Gesicht hatte sie unter viel Make-up versteckt. Man erkannte gerade noch, dass es ein sehr zartes Gesicht war mit fast kindlichen Zügen.
    »Falls es Ihnen passt, hätten wir gern mit Ihnen gesprochen«, sagte Tarzan. »Über Ihren Sohn. Wir besuchen dieselbe Schule. Das sind Gaby Glockner und Willi Sauerlich. Ich heiße Peter Carsten.«
    »Über... so netten Besuch freue ich mich immer«, sagte Frau Müller – mit einer Zunge, die ihr offenbar wie Blei zwischen den Zähnen lag.
    Jedes Wort schwebte auf einer Wolke Kirschlikör-Aroma heran.
    »Stören wir auch wirklich nicht?«, fragte Gaby betreten. »Aber nein! Kommt rein, Kinder.«
    Sie trat einen Schritt zurück, stolperte dabei und hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren. Die kalte Zigarette freilich blieb eisern im Mundwinkel.
    »Diese blöden Schuhe!«, schimpfte Frau Müller.
    Mit gekonnter Fußbewegung schleuderte sie erst den rechten, dann den linken an die Wand.
    »Tor!«, sagte Klößchen. Aber das hörte sie nicht.
    Steifbeinig ging sie voran – in einen großen Wohnraum, der rückseitig lag. Vor den Fenstern waren die Jalousien zur Hälfte herabgelassen, um das Sonnenlicht draußen zu halten.
    Kostbare Ledermöbel füllten den Raum. Über den Boden waren Zeitungen und Journale verstreut. Auf dem Couchtisch stand eine fast leere Likörflasche und daneben ein Wasserglas.
    »Hat...te Besuch«, sagte Frau Müller. »Ist eben weg. Setzt euch.«
    O Gott!, dachte Tarzan. Sie trinkt. Und das schon am helllichten Tage. Ob Ralf sie öfter in diesem Zustand erlebt?
    Wahrscheinlich ist sie seit ihrer Scheidung aus dem Gleis geworfen. Oder – sie war schon vorher so, und ihr Mann hat sich abgeseilt, als es ihm reichte.
    Sie setzte sich auf die Couch, nahm die Zigarette aus dem Mundwinkel und legte sie auf das Glas. Dann sah sie die Kinder an.
    »Wir halten es für unsere Pflicht«, sagte Tarzan, »Sie auf etwas aufmerksam zu machen, Frau Müller. Es geht um Ralf. Wir glauben, dass er in Gefahr ist. Er sympathisiert mit einer Jugendsekte, mit den Jüngern aus Atlantis. Das sind diese Bettelmönche in den blauen Kutten.Es besteht der Verdacht, dass sie Jugendliche, die in die Sekte eintreten wollen, ohne Wissen der Eltern nach Tunesien verschleppen. Dort werden die Jugendlichen dann geistig und seelisch gebrochen und zunächst wie Gefangene gehalten. Erst wenn sie keinen eigenen Willen mehr haben und von der so genannten Heilslehre überzeugt sind, die diese Verbrecher ihnen eintrichtern – erst dann kommen sie wieder ans Tageslicht. Als Bettelmönche.«
    Prüfend sah er die Frau an. Sie hörte zu. Aber begriff sie auch, was er sagte?
    In eindringlichem Ton fuhr Tarzan fort: »Wir befürchten, mit Ralf könnte das Gleiche passieren. Wir raten Ihnen dringend, sich an die Polizei zu wenden. Oder an das Jugendamt der Stadt. Ralf hat einen gefährlichen Umgang.«
    Frau Müllers Blick schien zu schwimmen. Sie zwinkerte mehrmals. Dann schüttelte sie den Kopf.
    »Nein«, sagte sie. »Ralf ist nicht.., gefährdet. Er liebt sein Mütterlein.

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