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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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aufgestellt, Marsch, Marsch!» Sie hob erneut ihr Stöckchen. «Noch einen Mucks, und es gibt Arrest für alle. Wie könnt ihr euch nur solcherart aufführen, an einem Hochfest unseres Herrn?»
     
    An diesem Abend, nach dem Löschen der Lampe, raunte Rosina in die Stille der Nacht:
    «Habt ihr schon g’hört, dass der Schwarze Veri wieder umgeht?»
    «Der Schwarze Veri?», flüsterte Theres.
    «Sag bloß, du kennst den net!», entgegnete Rosina. «Der Räuberhauptmann aus dem Altdorfer Forst. Der kann nämlich net sterben und spukt hier in den Wäldern rum, mit seiner ganzen Bande.»
    «Ich hab Angst», rief die kleine Pauline, die mit ihrer Zwillingsschwester im Stockbett über Theres schlief. Die Schwester war übrigens stumm und wohl auch ein wenig schwachsinnig.
    «Dummes Zeugs! Es gibt überhaupt keine Gespenster», beruhigte Theres das Mädchen, wobei sie sich hierüber gar nicht so sicher war.
    Keine halbe Stunde später ertönte ein leises Klopfen an derWand, dann ein Scharren. Mäuse, dachte Theres. Dann aber wurde das Klopfen lauter und regelmäßiger. Plötzlich spürte sie etwas Kaltes an ihrer Stirn – sie riss den Kopf in die Höhe und starb fast vor Schreck: Über ihr schwebte eine weißverhüllte Gestalt, die im nächsten Augenblick mit lautem Keckern davonhüpfte. Voller Angst stieß sie einen gellenden Schrei aus.
    «Was ist denn jetzt schon wieder?»
    Mit einer Lampe in der Hand, in rosafarbenem Nachtgewand und das offene, graue Haar zerwühlt, stand die Wagnerin plötzlich im Türrahmen. Ihr verhärmtes Gesicht zog sich zornig zusammen.
    «Wer brüllt hier so, mitten in der Nacht? Rosina!»
    «Das war die Theres. Die hat uns alle aufgeweckt, die dumme Kuh», antwortete Rosina.
    Die Lehrfrau zog ihre Rute hinter dem Rücken hervor und trat zu Theres ans Bett.
    «Spinnst du, mitten in der Nacht so herumzukrakeelen?»
    «Ich – ich hatte Angst», stotterte Theres.
    «Dann wirst du mir ja auch den Grund nennen können.»
    «Das war, weil – weil ich bös geträumt hatte.»
    «Ach – und dabei bist wohl herumgepoltert wie ein wild gewordener Stier? Steh auf!»
    Gehorsam kletterte Theres aus dem Bett.
    «Bück dich!»
    «Au!» Der Rutenstreich gegen ihr Hinterteil brannte wie Feuer.
    «Der war für deine unverschämte Ruhestörung. Und der hier» – sie schlug ein zweites Mal zu – «ist für deine Raufhändelei auf dem Hof heute. Und jetzt zurück ins Bett, aber schleunigst. – Ja, seh ich recht? Was ist denn das für eine Sauerei?»
    Theres zuckte zusammen, in Erwartung eines neuerlichen Schlages, doch diesmal galten die erbosten Worte nicht ihr.Sie sah aus dem Augenwinkel, wie Pauline grob aus dem Bett gezerrt wurde, während ihr zugleich ein beißender Geruch aus dem oberen Stockbett in die Nase stieg.
    «Schon wieder das Bett vollgebrunzt! Zum dritten Mal in den letzten Wochen. Na warte!»
    Mit geschlossenen Augen hörte Theres drei harte Schläge knallen, dann das Heulen des armen Mädchens.
    Die Wagnerin holte tief Luft. «Morgen früh kommt ihr in Arrest, alle beide. Da ist nix mit Blutfreitag und Krämermarkt. Ich werd euch Lumpenmenschen schon lehren, was Anstand ist.»
    Ohne ein weiteres Wort ging die Lehrfrau hinaus und ließ krachend die Tür ins Schloss fallen. «Ruhe!», brüllte eine Männerstimme vom Flur her, dann wurde es still. Nur das unterdrückte Schluchzen von Pauline war hin und wieder zu hören.
    Theres vergrub den Kopf unter ihrem Kissen. Was für eine himmelschreiende Gemeinheit! Dabei galt ihre Wut, die ihr das Herz bis zum Hals schlagen ließ, gar nicht so sehr der Wagnerin als vielmehr Rosina. Die allein hatte ihnen das eingebrockt! Ganz genau hatte Theres das schadenfrohe Grinsen auf ihrem Gesicht gesehen, dazu das Laken, das halb aus ihrem Bett heraushing. Von wegen Schwarzer Veri!
    Jetzt erst fiel ihr auf, dass ihre Freundin Sophie die ganze Zeit über keinen Mucks von sich gegeben hatte. Nicht mal aufgesehen hatte sie, als das vermeintliche Gespenst über ihrem Bett aufgetaucht war. Konnte es sein, dass sie in den üblen Scherz eingeweiht gewesen war? Dann war sie nicht minder schuld daran, dass die arme Pauline vor Schreck ins Bett gepinkelt hatte. Und vor allem daran, dass sie nun beide zu Arrest verdonnert waren. Wie sehr hatte sich Theres auf den Blutfreitag gefreut, darauf, endlich einmal rauszukommen aus diesenGemäuern! Fast noch ärger aber nagte an ihr die Enttäuschung über Sophie: War sie überhaupt noch ihre Freundin?
     
    Während sich die

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