Die Beute
Dachten das alle? Dachte sie das nicht selbst hin und wieder?
»Mensch, Corrine«, sagte Louise und lächelte Jodie an. »Sie ist nicht an Autofreaks interessiert, die lassen so gar nicht die Frau in ihrem Inneren zu Wort kommen.«
Corrine sah gekränkt aus. Hannah, die neben Corrine saß, hob wie die Spielführerin des gegnerischen Teams eine Augenbraue, als wolle sie Corrine beipflichten.
Jodie spürte, wie Ärger in ihr aufstieg. »Na schön, Corrine, glaubst du, du bist nach einer weiteren Flasche Champagner in der Lage zu sagen, was du wirklich denkst?«
»Was soll denn das heißen?«, fragte Corrine.
Jodie holte tief Luft und wollte zurückschießen, verkniff es sich dann aber und biss sich lieber auf die Zunge. Es brachte nichts, wenn sie persönlich wurde, dadurch bekam sie auch nicht mehr Aufmerksamkeit. »Nichts. Das soll gar nichts heißen. Ich wollte lediglich sagen, dass gestern Nacht zwei Männer um die Scheune herumspioniert haben, mindestens zwei Männer mit Taschenlampen hinten um die Veranda geschlichen sind und ein Wagen um drei Uhr morgens um die Scheune gefahren ist. Ziemlich komisch, wenn nicht sogar absolut verdächtig.«
Hannah öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch Jodie hob die Hand. »Lass mich ausreden. Ich habe noch einmal darüber nachgedacht. Die einzig vernünftige Erklärung ist, dass die Schnüffler aus irgendeinem Grund mit Taschenlampen zurückgekommen sind, bei irgendwas gestört wurden und dann in der Nacht noch einmal zurückgekommen sind. Das heißt, sollte Matt Wiseman den Wagen gefahren haben, hätte er auch gut da draußen mit einer Taschenlampe rumgeistern können, was wiederum hieße, dass er genauso verdächtig wie die zwei Schnüffler ist.«
Niemand sagte etwas. Hannah sah zur Küche und schüttelte den Kopf, Corrine stocherte mit ihrer Gabel in einer Toastrinde auf ihrem Teller herum, und Louise lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und sah Jodie mit einem Gesichtsausdruck an, den sie nicht entschlüsseln konnte.
Jodie verschränkte die Arme auf dem Tisch. »Hört zu, ich sage doch nur, dass wir nicht jedem trauen sollten, der uns hier draußen über den Weg läuft. Ich meine, vermutlich sind wir hier völlig sicher, aber falls doch mal irgendwer auftauchen sollte, sollten wir ihm nicht gleich über den Weg trauen, das ist alles.«
»Es gibt noch eine andere Erklärung«, sagte Hannah und sah sie an. »Vielleicht waren die beiden Kerle tatsächlich nur Camper, die vor dem Schlafengehen mit ihren Taschenlampen einen Nachtspaziergang gemacht haben. Vielleicht schliefen sie aber auch schon tief und fest in ihren Schlafsäcken, als du die vermeintlichen Taschenlampen gesehen hast, die genauso gut was anderes hätten sein können. Oder auch gar nichts. Und es könnte doch sein, dass der geheimnisvolle Wagen, den du gehört hast, tatsächlich nur der Donner war und Matt Wiseman ein netter Kerl ist, der die ganze Strecke hier rausgefahren ist, um dir zu sagen, wann dein Wagen fertig ist. Ja, ich weiß, deine Version klingt viel aufregender und dramatischer, aber ich bevorzuge trotzdem meine.«
Warum war Hannah nur so feindselig? »Wobei wir wieder beim Thema ›Was ich nicht sehe, gibt es nicht‹ wären«, sagte Jodie.
»Das ist immer noch besser, als aus jedem nächtlichen Rumms voreilige Schlüsse zu ziehen.«
»Glaub mir doch ein wenig, Hannah.«
»Ich will nur die uns verbleibende Zeit genießen und keine weiteren Schauermärchen hören.«
»Hört, hört«, sagte Corrine.
»Kommt schon, Leute, könnten wir das Thema wechseln?«, sagte Louise.
Jodie presste die Lippen zusammen. Sie war sauer, fühlte sich bevormundet und unsicher, das war das Schlimmste. Die Art, wie Hannah die Dinge sah, hatte ein furchtbares Pochen in ihrem Kopf ausgelöst. Und zu allem Überfluss war das auch noch durchaus realistisch. Es konnte in der Gegend tatsächlich Camper geben, sie hatte zwar noch niemanden mit Taschenlampe gesehen, aber sie hatte gestern auch viel getrunken. Der Wagen … na ja, hatte sie den wirklich gesehen und gehört? Heute Morgen hatte sie doch auch das Gefühl gehabt, Angelas blutige Hände zu halten, und ihre Schreie schienen aus dem Nebenzimmer zu kommen. Vielleicht war der Wagen ja genauso real wie die Flashbacks und die Albträume, die sie quälten.
Jodie verschränkte die Arme vor der Brust und wusste nicht, was sie als Nächstes tun sollte, jetzt, wo die Unterhaltung so plötzlich unterbrochen worden war. Sie wandte ihren Blick zu den großen
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