Die Beute
die Küche. »Eine für alle, alle für eine, oder?« Sie lächelte und hielt eine Flasche Champagner hoch. »Hast du noch genügend Kraft, um den Schampus aufzumachen?«
»Müsste ich hinkriegen.«
»Eigentlich solltest du deine Füße hochlegen und nicht in der Weltgeschichte rumrennen.«
»Es war toll.«
»Mach dich nicht lächerlich«, sagte Louise und zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor. »Niemand joggt gerne. Die Jogger sagen das nur, um anderen ein schlechtes Gewissen einzujagen.«
»Außerdem ist das ungesund, wenn man viel Alkohol getrunken hat«, sagte Hannah, die frisch geduscht, mit bequemer Jeans, dickem Pulli und ordentlich geföhntem Bob ins Zimmer kam. »Du solltest heute Morgen viel Wasser trinken, damit du nicht austrocknest.«
»Ja, Doktor«, sagte Jodie.
Hannah legte ihre Hand auf Jodies nackten Arm und rieb ihn ein wenig. »Zieh dir was Warmes an, sonst kühlst du zu sehr aus.«
»Bin schon unterwegs«, sagte Jodie und lächelte, während sie sich umwandte. Sie verdrehte die Augen und eilte den Flur entlang. Sie joggte seit Ewigkeiten und wusste genau, was ihr guttat.
Das Frühstück ging mit frischen Früchten und Geplauder über die Kinder los. »Lasst uns zuerst ein wenig über die Verwandtschaft quatschen, dann streichen wir das Thema endgültig«, meinte Louise. Also sprachen sie über die Zwillinge und ihre Erfolge beim Lesen, das Für und Wider, Hannahs Ältesten allein zu Hause zu lassen, wenn sie Nachmittagsschicht hatte, Corrines Entsetzen, dass ihr gerade halbwüchsiger Sohn die »F-Bombe« hatte hochgehen lassen, und über Jodies Tochter, die es in die regionale Leichtathletikmannschaft geschafft hatte.
Keine gab mit den Leistungen ihrer Kinder an. Die Unterhaltung war offen und ehrlich, ein sicherer Ort, um Sorgen, Fehlern und Freuden Raum zu geben. So war das nach acht Jahren gemeinsam durchwachter Nächte, schrecklichen Zwillingen, Tränen am ersten Schultag, Lernschwierigkeiten, Zahnspangen und anstehender Pubertät. Es wurde wie immer viel gelacht, man gab sich Ratschläge, und Jodie war erleichtert, dass die harschen Worte von heute Morgen vergessen waren.
Als Corrine die Rühreier auf den Tisch stellte, schlug Lou ihren Löffel an die Tasse.
»Hiermit erkläre ich alle Gespräche über Familienangelegenheiten für beendet. Ladys, es ist an der Zeit, das Thema zu wechseln, wir wollen doch nicht den ganzen Tag von den Kindern reden. Also, hat irgendwer einen Vorschlag, wie wir den Tag gestalten könnten?«
»Ich will nichts machen, wo ich pünktlich sein muss«, sagte Hannah.
»Ich habe gestern Abend einen hübschen Haushaltswarenladen im Ort entdeckt«, sagte Corrine.
»Ich lese«, sagte Lou.
Sie sahen Jodie an, die bisher an nichts weiter als verriegelte Scheunentüren gedacht hatte. Jodie zuckte die Achseln und versuchte gleichgültig dreinzuschauen.
»Wie ist es denn draußen? Lohnt sich ein Spaziergang?«, fragte Lou.
Das war das Stichwort, die Chance, um über Matt Wiseman und ihre Begegnung auf der Zufahrt zu reden. »Es ist kalt«, sagte sie, den Mund voll Ei, und erzählte vom Nebel, der über dem Tal hing, den Kängurus auf der Koppel neben der Straße und davon, dass man bis ins Tal gehen musste, um Netzempfang zu haben, wenn man abends zu Hause anrufen wollte. Dann erzählte sie von Matt und dass er offenbar nah genug wohnte, um kurz mal vorbeizukommen und ihr zu sagen, dass der Wagen bald fertig sei. Und dass sein Auto genauso wie das geklungen hatte, das sie heute Nacht gehört hatte, und er sie auf dem Felsplateau mit dem Wagen abgefangen und versucht hatte, Informationen über die Scheune zu bekommen.
Als sie fertig war, herrschte Schweigen. Ein langes, unbehagliches, leicht amüsiertes Schweigen. Dann setzte schallendes Gelächter ein. Vor allem Corrine lachte, als hätte Jodie einen Witz gerissen und sie einen Moment gebraucht, um die Pointe zu verstehen. Hannahs Gelächter wirkte hingegen ein wenig angestrengter und übertrieben. Louise lächelte etwas verkrampft.
Jodie wand sich. »Das ist nicht lustig.«
»Komm schon«, lachte Corrine. »Der Typ hat doch nur versucht mit dir zu flirten. Du bist so was von paranoid, dass du schon gar nicht mehr den Unterschied zwischen einer Anmache und einer versuchten Entführung erkennst. Kein Wunder, dass du seit der Trennung von James keine Verabredung mehr hattest.«
Jodies Wangen begannen zu glühen, sie starrte auf den Toast, der noch auf ihrem Teller lag. So dachte Corrine also darüber.
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