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Die Beute

Die Beute

Titel: Die Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Ford
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Fenstern im hinteren Teil der Scheune. Die Vorhänge waren offen und gaben einen Blick auf sattes Grün frei, nichts wirkte dunkel und bedrohlich wie noch vergangene Nacht. Sie dachte erneut über die Männer, die Lichter, den Wagen und Matt Wiseman nach. Irgendwas stimmte nicht, und nicht alles konnte ein Zufall sein. Ihren Studenten sagte sie bei ihren Selbstverteidigungskursen auch immer, dass sie ihrem Instinkt folgen sollten. Und wenn sie eine Gefahr witterten, sei die vermutlich auch real.
    Der dickköpfige, kampferprobte Kontrollfreak in ihr wäre am liebsten aufgesprungen und hätte die anderen angeschrien. Sie dazu gebracht, ihr zuzuhören, und so lange mit ihnen darüber diskutiert, bis sie es einsahen. Sie hätte sie am liebsten gewarnt und ihnen gesagt, dass überall Gefahr lauerte, sie ihr Leben retten konnten, wenn sie auf der Hut blieben.
    Doch in den Gesichtern um den Tisch spiegelte sich ihre eigene Befindlichkeit – eine Mischung aus Frustration, Kränkung und Unbehagen. Und was wäre, überlegte sie, was wäre, wenn ihr Instinkt sie täuschte? Wenn die Flashbacks ihren gesunden Menschenverstand ausgeschaltet hatten? Auch wenn sie selbst verunsichert war, wollte sie wirklich ihr gemeinsames Wochenende ruinieren und über etwas streiten, das sie nicht beweisen konnte? Das sich später vielleicht gegen sie wenden konnte?
    Sie stand auf, sammelte die Teller ein und sagte nur: »Tolles Frühstück, Corrine. Tut mir leid, dass ich dem mit meiner Unterhaltung nicht gerecht geworden bin.«
    Niemand sagte etwas, als sie das Geschirr in die Spülmaschine steckte. Die Teller klapperten im angespannten Schweigen, ihre Schritte klangen ironischerweise wie Donnergrollen, als sie den Flur entlanglief. Sie schloss sich im Badezimmer ein, stellte sich unter die heiße Dusche und lächelte gequält bei dem Gedanken, dass sie dieses Wochenende für den Höhepunkt des Jahres gehalten hatte.
    Sie stand in ihrer Unterwäsche hinter den geschlossenen Vorhängen im Schlafzimmer und rubbelte ihr nasses Haar mit einem Handtuch trocken. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um das Vorgefallene. Sie warf das Handtuch auf ihr Bett, zog die Vorhänge beiseite und blickte hinaus. Die Wintersonne schien jetzt sanft und einladend und wärmte mit ihren schwachen Strahlen langsam alles auf. Die Holzveranda und das struppige Gras dahinter wirkten üppig und wie frisch gewaschen nach der stürmischen Nacht, ein paar Wallabs grasten träge am Rand des Busches.
    Sie sollte die ruhige Landatmosphäre genießen. Deshalb war sie doch hier, oder nicht? Sie war hier, um sich zu erholen, und nicht, um auszuticken und mit ihren Freundinnen zu streiten. Sie ließ ihre Schultern kreisen. Schüttle es ab, Jodie. Zieh dich an, und mach weiter. Wie sonst auch. Sie drehte sich um und sah Louise durch die Tür kommen.
    »Hannah und Corrine wollen in den Ort fahren. Kommst du mit?«, fragte Louise, sie ließ sich auf Jodies Bett fallen und musterte ihre Freundin.
    Jodie blieb auf ihrem Weg durch das Zimmer stehen. Ihr war klar, dass sie nur BH und Slip trug und man die hässlichen Narben auf ihrem Bauch sehen konnte. Sie schämte sich nicht dafür – immerhin erinnerten sie sie daran, dass sie überlebt hatte –, aber die willkürlichen, zackigen Schlitze erzählten eine Geschichte von Gewalt und Brutalität, über die sie jetzt nicht reden wollte, weil sie sowieso schon nervös und unsicher war und immer noch Angelas blutige Hand spüren konnte. Sie wollte sich abwenden, doch Louise hatte es sich auf ihrem Bett bequem gemacht. Wie lange konnte sie mit ihr reden und ihr dabei den Rücken zukehren? Sobald sie näher kam, sah man die Narben noch deutlicher, also blieb sie, wo sie war, und verschränkte die Arme vor ihrem Bauch, obwohl sie so die Narben nur spärlich bedeckte. »Ich passe. Ich muss heute Nachmittag den Wagen zurückbringen und möchte lieber bis dahin hierbleiben.«
    Jodie sah, wie Louise die Stirn runzelte. Sie saß auf dem Bett, musterte Jodies Bauch und brauchte ein paar Sekunden, bis ihr klar wurde, was sie da sah. Als sie es begriffen hatte, schnappte sie nach Luft.
    Nun ist es zu spät, sich zu verstecken, dachte Jodie, ging zum Bett, zog ein T-Shirt aus dem Koffer, drehte sich von Louise weg und zog es an. »Ich bin als Kind operiert worden.«
    Louise sagte nichts, als Jodie sich wieder zum Koffer drehte und weitere Kleidungsstücke herauszog. Sie sah ihr mit gerunzelter Stirn zu, als überlegte sie, was sie als Nächstes

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