Die Beute
ausgerutscht und habe mir den Kopf am Küchentisch angeschlagen. Es ist alles in Ordnung, Hannah ist Krankenschwester, sie hat die Wunde versorgt. Nur notdürftig, wir haben leider keinen Verbandskasten. Es ist alles okay. Wirklich.« Sie lächelte dünn und wich seinem Blick aus.
Er sah sie einen Augenblick an. Das nervöse Flackern in ihren Augen war eine Warnung, aber auch ein verräterisches Zeichen. Der klassische Fehler, den die meisten Leute machten, wenn sie logen. Sie dachten, wenn sie viel redeten, würde niemand merken, dass sie logen. Für jemanden, der ganz offensichtlich nicht reden wollte, redete Jodie ziemlich viel. Hannah war vermutlich tatsächlich Krankenschwester, doch für Matt war der Rest der Geschichte Schwachsinn. Die Frage war: Warum log sie bezüglich ihrer Verletzung?
»Matt, was machst du hier?«, fragte sie erneut, sah an ihm vorbei und schien zu hoffen, dass er so bald wie möglich wieder verschwinden würde.
»Ich habe dein Handy im Mietwagen gefunden.« Er zog es aus der Tasche und hielt es ihr hin. »Ich dachte mir, ich könnte es auf dem Weg zu meinem Bruder vorbeibringen. Falls du es heute Nacht brauchen solltest.«
Sie streckte die unverletzte Hand aus, wollte es nehmen und zuckte dann zurück. Und wieder flackerten ihre Augen und blickten nach links. »Das gehört mir nicht«, sagte sie. »Meines ist silberfarben. Ein … Klapphandy. Das gehört mir nicht.«
Er runzelte die Stirn. »Okay«, sagte er und sah links an ihr vorbei. Die Eingangstür war halb zugefallen, gedämpftes Licht drang auf die Terrasse. Hinter ihr sah er den Holzfußboden, die Hälfte eines Sofas und einen Kamin. Keine Freundinnen. »Vielleicht gehört es einer Freundin von dir.«
»Nein«, sagte sie schnell. »Nein, die haben ihre Handys. Das gehört ihnen bestimmt nicht.« Wieder sah sie nach links, doch diesmal wirkte es anders – ein Blick nach unten, der nur bis zur Hälfte der Tür ging. »Genau«, sagte sie und blickte ihm dabei zum ersten Mal direkt in die Augen. »Richtig, wir haben heute Nachmittag von der Terrasse nach Hause telefoniert.«
Das Handy gehörte ihnen also nicht. Er hatte verstanden. »Na ja, ich denke, das war’s dann.« Er sollte endlich in seinen Schädel kriegen, dass sein Instinkt im Arsch war. Heute Nachmittag hatte er noch gedacht, sie wäre an ihm interessiert. Aber vielleicht war sie von seiner Jeans ja nicht so überwältigt gewesen wie er von ihren, aber immerhin beeindruckt genug, um ihm ein Lächeln zu schenken und mit ihm in der Kälte zu plaudern. Er lag offenbar total falsch. »Na dann, schönes Wochenende. Ruf mich an, wenn du irgendein Problem mit dem Wagen hast. Schön, dich kennen gelernt zu haben.« Er streckte seine Hand aus. Er konnte genauso gut sachlich sein, es würde ohnehin weiter nichts passieren.
Sie nahm seine Hand und hielt sie einen Augenblick, ohne sie zu schütteln. »Die Bremsen funktionieren perfekt. Gute Arbeit, danke.«
Sein Gesicht blieb regungslos, während er überlegte. Den Bremsen hatte doch nichts gefehlt, und das wusste sie. Er war mit ihr die Reparaturen in der Werkstatt durchgegangen und hatte die Rechnung erläutert. Von Bremsen war nie die Rede gewesen. Sie sah ihm wieder in die Augen, das Kinn angehoben, der Mund entschlossen. Sie wollte ihm etwas mitteilen – das hatte er verstanden –, nur, was war es? Hätte er die Bremsen reparieren sollen?
Er runzelte ein wenig die Stirn. Okay, Matt, was jetzt? Er konnte versuchen, das Gespräch hinauszuzögern, um es herauszufinden – dann hatte er wenigstens einen guten Vorwand, noch ein wenig Zeit mit ihr zu verbringen. Ja, hinauszögern war gut. »Hey, kein Problem. Man braucht schließlich gute Bremsen, wenn man gerne mal von der Straße abkommt.«
Irgendwas huschte über ihr Gesicht. Ein vertrautes Lachen? Spott? Erleichterung? Es ging zu schnell, war zu flüchtig, als dass er es hätte entschlüsseln können. Ihre Hand schloss sich kurz um seine, dann zog sie sie weg, verschränkte wieder die Arme vor der Brust und blickte nach links.
Matt runzelte erneut die Stirn. Sie war verletzt und log, sprach von Bremsen und machte sich wegen irgendwas Sorgen. Das Haus? Etwas im Haus? Jemand …
»Matt, hör zu«, ihre Stimme wurde plötzlich laut und feindselig. »Du kannst hier nicht einfach so aufkreuzen. Das letzte Nacht war großartig, das Beste überhaupt, wirklich, aber das war’s.«
Letzte Nacht? »Ich wollte nicht …«
»Nein, Matt. Das habe ich dir heute
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