Die Beute
weiter da drauf.«
Lous Gesicht verzog sich vor Schmerz. »Oh, Gott, das tut weh.«
»Es tut mir leid, Lou. Es tut mir leid.«
Sie hätte sie am liebsten umarmt und ihr zu verstehen gegeben, dass sie nicht alleine war. Sie hob ihre freie Hand und erstarrte. Etwas Kaltes, Klebriges klomm ihren Rücken hinauf. Sie drehte ihre Handfläche nach oben, öffnete die andere Hand und hielt sie nebeneinander. Sie schluckte.
Ihre Hände waren voll frischem rotem Blut, als hätte sie sie darin gewaschen.
Als hätte sie sie auf ihre eigenen Stichwunden gepresst.
Das Herz schlug gegen ihre Rippen. Entsetzen machte sich wie eine Faust in ihrem Magen breit, ihr wurde schwindelig. Sie blickte auf ihren Bauch und erwartete noch mehr Blut zu sehen. Einen Strom von Blut, der an ihren Oberschenkeln entlanglief und auf ihre nackten Füße tropfte.
Doch da war nichts. Ihre Bluse war zerrissen, die Haut darunter weiß, glatt und unversehrt. Sie blickte wieder auf ihre Hände. Auf Lou.
»Oh, nein, nein!« Nicht du, Jodie, Lou. Auf Lou war geschossen worden, sie war es, die blutete und weinte. »Nein, nein!« Sie nahm Hannahs Hand und drückte sie fester auf Lous Wunde.
»Nicht Lou.« Sie biss die Zähne zusammen, keuchte und versuchte den metallischen Geruch des Blutes zu ignorieren, der ihr in die Nase stieg. »Lou, es ist alles in Ordnung. Du bist okay. Alles wird gut.«
Lou musste es wieder gut gehen. Denn Jodie würde nicht zulassen, dass sie auch sie verlor.
Sie würde nicht flüchten und wieder eine beste Freundin verlieren.
Diesmal würde es anders laufen.
Jodie würde dafür sorgen, dass es anders lief.
Das musste sie.
»Jodie, schau«, zischte Corrine.
Corrine hatte noch immer ihr Gesicht auf etwas gerichtet, das hinter ihnen passierte. Doch Jodie musste erst gar nicht hinsehen. Sie musste nur wissen, dass Travis und Kane sich prügelten, statt eine Waffe auf sie zu richten. »Hilf mir die Fesseln zu lösen.«
»Jodie, schau.«
»Herrgott noch mal, Corrine. Hilf mir.«
»Jodie, Matt ist da.«
Jodie traute ihren Ohren nicht und hob den Blick.
Corrine starrte immer noch auf die andere Seite des Raumes. »Er ist durchs Fenster gekommen.«
Jodie warf einen Blick auf die Rückwand. Eine große Fensterscheibe lag in Scherben, ein Vorhang war heruntergerissen worden, der andere wehte sacht in der kalten Abendluft. Matt war da durchgesprungen? Sie wandte sich dem hektischen Treiben hinter ihrem Rücken zu. Zwei Männer strampelten grunzend am Boden. Über ihnen stand Kane, hob ein Knie und rammte es mitten in die Schlägerei. Einer der beiden Männer auf dem Boden hob eine Faust und stieß sie dem anderen in den Magen.
Oh, Gott, das war Matt.
Matt war zurückgekommen. Er hatte es kapiert.
Jodie konnte ihren Blick nicht von ihm wenden, als er Travis’ Arm auf den Boden presste und ihn gegen die Planken knallte. »Lass los, du Arschloch!«, schrie er.
Travis fiel die Waffe aus der Hand. Matt griff danach, ging auf die Knie, umklammerte sie mit beiden Händen und zielte auf Travis.
Matt war ein Cop. Es war vorbei.
Erleichterung ergriff sie und durchflutete sie wie eine Tasse süßer Tee. Tränen stiegen ihr in die Augen. Louise würde durchkommen. Sie würden nach Hause fahren. Sie sah Corrine an, sah frische Tränen. Oder vielleicht hatte sie gar nicht aufgehört zu weinen.
Sie wandte sich wieder zu Matt um und sah, wie Kane den Arm hob. Sie befahl ihrem Kopf zu schreien, spürte wie der Schrei sich seinen Weg durch ihre Kehle bahnte, aber nur in Zeitlupe herauskam. »Neeeiiin!«
Matt drehte den Kopf. Der Schürhaken traf ihn genau unterhalb des rechten Ohrs. Die Wucht des Schlages riss ihn zu Boden.
Travis krabbelte unter ihm hervor, als Kane die lange, tödliche Metallstange über seinem Kopf schwang.
»Nein!«, schrie Jodie erneut – diesmal laut.
»Nein!«, schrie auch Travis und warf sich vom Boden aus auf seinen Bruder, grub eine Schulter in seinen Oberschenkel und stieß ihn nieder.
»Geh runter«, grölte Kane.
Travis schlug ihm ins Gesicht.
Das brachte ihn zum Schweigen, doch Entsetzen durchfuhr Jodie. Er tat das seinem eigenen Bruder an?
Travis rappelte sich auf und ließ Matt nicht aus den Augen. »Verdammt.« Er taumelte voran. »Verdammt.« Er fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar, trat seinen Bruder in die Rippen. »Du hast einen verdammten Bullen umgebracht.«
»Nein!«, schrie Jodie. Sie hatte ihn umgebracht. Wegen ihr war er zurückgekommen, sie war daran schuld, dass er getötet
Weitere Kostenlose Bücher