Die Beute
worden war. Oh, Gott, nein. Sie versuchte aufzustehen und zu ihm zu gehen. Louise schrie, weil die Bewegung an ihrer verletzten Schulter zerrte.
»Steh auf«, Travis zog Kane auf die Füße und scheuchte ihn zu Matt. »Durchsuch seine Taschen. Nimm seine Waffe.«
Jodie beobachtete Kane, wie er mit der Fußspitze Matt umdrehte, und schloss die Augen. Schau nicht auf Matts leblosen Körper. Sie erinnerte sich an den Blick auf seinem Gesicht, als sie ihn auf der Veranda angeschrien hatte. Verwunderung, Ärger und stets diese Wachsamkeit. Sie hatte geglaubt, dass er ihre Worte nicht begriffen hätte – so wenig Menschen in ihrem Leben hatten das gekonnt. Nun wünschte sie sich, sie wäre das Risiko nicht eingegangen, denn er hatte sie verstanden. Und darum war er ermordet worden.
Also, Jodie, sieh ihn dir an. Für dich ist er dieses Risiko eingegangen. Brenn dir sein Gesicht ins Gedächtnis ein. Das schuldest du ihm.
Kane kniete neben ihm nieder, stieß ihn herum, durchsuchte seine Taschen. Sie ignorierte ihn, konzentrierte sich nur auf Matts Gesicht. Es lag nun zu ihr gewandt, sie prägte sich seinen weichen Mund ein und die Fältchen um seine Augen, die ihr so gefallen hatten. Sie versuchte, sich an seine Augenfarbe zu erinnern. Auch die hatte ihr gefallen. Dunkelgrün mit hellen Reflexen, wenn die Sonne auf sie fiel.
Sie irrte sich. Seine Augen waren braun – und er hatte sie geöffnet und sah sie an!
25
Der Raum um ihn herum tauchte aus einem Nebel auf. Glassplitter glitzerten auf dem Boden. Er erkannte den schmiedeeisernen Tisch, den er durch das Fenster geschmissen hatte. Dann Jodie. Sie kniete und beugte sich schützend über jemanden, der neben der Kochinsel auf dem Boden lag. Zwei andere saßen hinter ihr und waren teilweise verdeckt, doch er hätte den Blick von Jodie abwenden müssen, um zu erkennen, welche Freundinnen das waren, und das wollte er nicht. Nicht solange sie ihn so ansah.
Ihr Gesicht war blass, ihre Augen fast schwarz, und die Erleichterung, die er in ihrem Blick las, spiegelte seine wider. Als er durch die Glastür gestürmt war, hatte er gesehen, wie Jodie Travis einen Schulterschlag versetzte. Wie in Zeitlupe hatte er Travis zur Seite rutschen sehen, dann traf ihn der Gartentisch, und die Waffe fuhr zu Jodie herum. Als der Schuss fiel, hatte er gedacht, Jodie sei getroffen worden und dass er sie nur noch tot sehen würde.
Jemand tastete ihn ab wie die Sicherheitskontrollen am Flughafen und zog ihm die Geldbörse aus der hinteren Hosentasche. Er wollte sich bewegen, doch dabei wurde ihm schwindelig, und sein Blick driftete von Jodie ab. Als er wieder hinsah, schüttelte sie unmerklich den Kopf, hob unauffällig eine Hand an ihr Gesicht und gab ihm zu verstehen, dass er die Augen schließen sollte. Er tat, wie sie ihm geraten hatte, schauderte jedoch, als er erkannte, was er auf ihrer Hand gesehen hatte. Blut. Ziemlich viel Blut, das ihre Finger benetzt und ihren Ärmel verfärbt hatte.
Jetzt bist du mittendrin, Matt. Vier Geiseln. Zwei kaltblütige Schlägertypen. Killer. Und er lag auf dem Boden wie ein betäubter Fisch. Grob wurde er zur anderen Seite gedreht und wieder abgetastet. Ihm wurde kotzübel.
»Zwei Handys und ein Autoschlüssel«, sagte Kane hinter ihm. Matt blinzelte und sah die Teile vor sich auf den Boden fallen. Die Handys wurden vom Absatz eines schweren Schuhs zertrümmert, fleischige Finger griffen nach dem Schlüssel.
»Schmeiß sie ins Gestrüpp«, sagte Travis über ihm.
Matt hörte das Klappern von Schlüsseln, die über ihm geworfen und aufgefangen wurden. Dann hörte er Schritte, die sich entfernten, und eine Tür.
»Und hol schon mal die Sachen, wenn du rausgehst«, rief Travis ihm nach.
»Und falls da noch mehr Bullen sind?«, fragte Kane.
Dem folgte ein kurzes Zögern. »Nee. Die wären sonst schon längst hier. Wiseman hat wohl gedacht, er käme allein mit uns klar.«
»Der war schon immer ein Idiot«, sagte Kane, beide lachten.
Vom Boden aus sah Matt Travis vor sich. Jedenfalls einen Teil von ihm. Seine Jeans, die in seinen Kniekehlen hing, die ausgelatschten Schuhe. Er stand so nahe, dass er seinen Fußknöchel packen könnte. Er hörte Kane draußen auf der Veranda. Die Worte »Bring die Geiseln raus« dröhnten tief in seinem Kopf auf einer Welle von Wut und Angst. Er wusste nicht, ob es sein Instinkt, das Training oder einfach nur bittere Erfahrung war. Doch das war unwichtig. Er wusste nur, dass es die einzige Möglichkeit war, Jodie und
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