Die Beute
war fest auf Travis gerichtet.
Matt hörte ihre Stimme in seinem Kopf. Ich kann aus zehn Metern einen Volltreffer landen. Er wandte seinen Blick vom Fenster ab und sah sich schnell auf der Terrasse um. Er brauchte eine Waffe. Irgendwas, das er in die Hand nehmen konnte.
Als er sich wieder zurückdrehte, hatte Travis den Daumen gehoben und die Pistole entsichert.
Unbändiger Zorn brodelte in Jodies Magen. Sie würde nicht tatenlos zusehen, wie man Louise in den Kopf schoss.
Das Glas in ihrer linken Hand fühlte sich glatt und kalt an. Mit der rechten wäre es ein leichter Wurf gewesen, aus dieser Entfernung hätte sie Travis den Schädel zertrümmern können – aber nur mit ihrer rechten Hand. Doch ihre rechte Hand war an Hannah gefesselt.
»Du verdammter Feigling!«, schrie Louise.
Jodie hatte nur eine Chance, die musste sie nutzen. Sie legte den Arm zurück und warf das Glas. Es krachte hinter Louise in die Scheibe, sodass Travis ruckartig den Kopf drehte.
Jetzt. Sie legte ihre freie Hand auf die Brust, stützte ihre Schulter und warf sich mit aller Kraft nach vorne.
Und während sie sich auf Travis stürzte, ihre Schulter knirschte und ihr die Luft aus der Lunge gepresst wurde, explodierte die Scheune.
Ein ohrenbetäubender Knall erfüllte die Luft, lautes Schreien folgte. Dann ließ ein entsetzlicher Lärm alles verstummen, sie bedeckte ihre Ohren schützend mit den Händen. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihr Gesicht, etwas Hartes stieß gegen ihre Beine, schob sie zur Seite, und sie fiel mit dem Kopf voran in ein paar Stühle.
Nur ein Geräusch war in dem Chaos zu hören. Ein heiseres Stöhnen, kaum mehr als ein Murmeln, doch Jodie vernahm es. Es drang irgendwo hinter ihrer Schulter hervor und veranlasste sie, ihren Kopf aus den Stühlen zu heben und sich ängstlich in die Richtung zu drehen, aus der es kam. Während ihr Blick das Zimmer absuchte, bemerkte sie die zertrümmerten, umgestoßenen Möbel und einen schmiedeeisernen Gartentisch. Schreie ertönten, doch sie konnte sie nicht zuordnen. Erst als sie Louise sah.
Louise lag mit erhobenen Armen auf den Knien, ihre Handgelenke waren an Hannah und Corrine gefesselt, und auf ihrer Bluse breitete sich ein hellroter Fleck aus, der immer größer wurde. Verwirrt und voller Entsetzen sah sie zu Jodie auf. »Ich … Ich bin …« Ihre Augenlider flatterten, sie kippte nach vorne, nur noch von der Kordel gehalten, die sie an ihre Freundinnen kettete.
Jodie krabbelte den kurzen Weg zu Louise und fing sie auf, als ihr Gewicht Hannah und Corrine mitriss.
»Oh, mein Gott, mein Gott, oh, mein Gott«, wimmerte Louise.
Jodie presste ihre freie Hand an Louises Schulter und spürte das zähe Nass an ihrer Handfläche. Sie sah Glassplitter auf dem Boden und erinnerte sich wieder an die stechenden Schmerzen in ihrem Gesicht. »Hast du dich geschnitten, was ist passiert?«
»Oh, mein Gott, Jodie. Er hat auf mich geschossen. Er hat verdammt noch mal auf mich geschossen.«
Jodie brauchte einen Augenblick, um die Bedeutung dieser Worte zu verstehen – einen Augenblick, in dem sie ihre beste Freundin in den Armen hielt, ihr Stöhnen hörte und Angst und Wut in ihr tobten. Dann, ganz plötzlich, verschwand ihre Angst schlagartig, ihr wurde klar, was sie zu tun hatte.
Jodie hob Lous Kopf aus ihrem Schoß, legte sie vorsichtig auf den Boden und schrie: »Hannah!«
Hannah und Corrine knieten regungslos da und starrten sie mit offenem Mund und blassen Gesichtern an.
Jodie hörte Stimmen hinter sich – laute, wütende Männerstimmen –, doch sie konnte ihren Blick nicht von Louise wenden. Sie hoffte, Travis und Kane würden sich gegenseitig zu Tode prügeln.
»Hannah!«, Jodie zog an der Kordel an ihren Handgelenken und zog sie näher zu sich. »Hilf mir.«
Hannah drehte sich zu ihr um, sah Lou, stöhnte auf und starrte auf den immer größer werdenden roten Fleck, den Jodie zu stoppen versuchte.
»Komm schon. Du weißt doch, was zu tun ist.«
Hannah sah Jodie an und dann herab auf das Blut. Sie rührte sich nicht vom Fleck. Herrgott, was war bloß los mit ihr?
»Hilf mir die Blutung zu stillen.«
Hannahs Augen füllten sich mit Tränen, ihre Lippen zitterten, und sie schüttelte den Kopf, als könne sie nicht begreifen, was sie da sah.
Das war so untypisch für Hannah, dass Jodie einen Augenblick nicht wusste, was sie tun sollte. Aber warten konnte sie auch nicht. Sie zog an ihrer Kordel und drückte Hannahs Hand auf Louises blutige Bluse. »Drück
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