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Die Beute

Die Beute

Titel: Die Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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nicht und Michael schnaubte. »Frauen!«
    Zach ließ nicht locker: »Ja, aber was, wenn es ein neuer Hinweis ist? Hier steht sie, also wird es entweder …«
    Jenny hörte ihn wie aus weiter Ferne. Sie lauschte angestrengt. Und plötzlich verschlug es ihr den Atem.
    »Audrey?«, fragte sie. Aus der Küche war auch kein Dosenklappern mehr zu hören. »Audrey? Audrey ?«
    Erschrocken starrten sie alle an, erschrocken von dem Klang ihrer Stimme, in der pure Panik lag. Jenny starrte zurück und ihre Gestalten schienen zu verschwimmen. Aus der Küche kam absolute Stille.
    Dann war sie rasend schnell auf den Beinen. Sie erreichte die Ecke vor allen anderen, selbst vor Dee. Sie schaute in die Küche.
    Und schrie.
    »Nein! Nein! Oh, Gott, nein!«

Die Küche war leer. Aus dem Hahn tröpfelte etwas Wasser und in der Luft lag ein seltsamer, scharfer Geruch. Mitten auf dem grünen Linoleumboden war eine Papierpuppe.
    Sie war so gefaltet, dass sie sitzen konnte, ein Arm ironisch-lässig nach oben gedreht, als riefe Audrey ihnen entgegen: »Hier bin ich. Wo wart ihr ?« Es war grotesk.
    Toms Hände lagen beruhigend auf Jennys Schultern, aber sie riss sich von ihm los und hob die kleine makabere Figur auf. Es war jene Puppe, die Audrey im Spiel benutzt hatte – ihre Spielfigur aus dem Papierhaus. Audrey selbst hatte das Gesicht gezeichnet, hatte das Haar und die Kleider mit Joeys Buntstiften ausgemalt. Jenny hatte die Puppe nicht mehr gesehen, seit sie sie mit den übrigen in die weiße Schachtel gepackt hatte. Mit einem Schlag wurde ihr klar, dass sie nicht in Angelas Werkzeugschuppen gewesen war. Keine der Puppen.
    Das wächserne Buntstiftgesicht schaute mit einem schrecklich durchtriebenen Lächeln zu Jenny auf. Ein U aus leuchtendem Rosa. Als wüsste diese Puppe, was mit der echten Audrey passiert war, und freute sich dar über.

    »Oh, Gott«, keuchte Jenny beinahe schluchzend. Die Puppe zerknitterte in ihrer Hand. Alles um sie herum schwankte.
    »Ich glaube das nicht«, sagte Michael und schob sich an den anderen vorbei. »Wo ist sie?« Er starrte Jenny an und packte ihren Arm. »Wo ist sie?«
    Tom packte Michael. »Lass sie los.«
    »Wo ist Audrey?«
    »Ich sagte, lass sie los!«
    Dee hob warnend die Stimme. »Kriegt euch ein, alle beide!«
    »Aber wie ist sie aus der Küche verschwunden?«, fragte Michael laut. »Wir waren gleich um die Ecke – wir haben nichts gehört. Ihr kann nichts passiert sein. Wir waren doch hier.«
    Dee kniete auf dem Boden und strich mit den Fingern über das Linoleum.
    »Hier ist es dunkler – seht ihr? Dieser ganze Bereich ist dunkler. Und es riecht angebrannt.«
    Jetzt sah es auch Jenny, ein etwas dunklerer grüner Kreis von mehreren Schritten im Durchmesser.
    Tom hielt Michael immer noch fest, aber seine Stimme war leise. »Du hast dieses Ding am Strand nicht gesehen – diesen Hohlraum, Mike. Er hat nicht das geringste Geräusch gemacht. So ist sie aus der Küche verschwunden.«
    »›Inmitten der Worte, die sie noch sagen wollt’ heute/ Inmitten von Lachen, Entzücken und Freude‹«, zitierte Zachary hinter ihnen.

    Jenny drehte sich schlagartig um. Mit seinem schmalen, eindringlichen Gesicht und seinen grauen Augen mit den dunklen Ringen sah er aus wie ein Prophet des Untergangs. Aber als er Jenny direkt anschaute, wusste sie, dass er sich sorgte. Er hatte noch immer das Gedichtbüchlein in der Hand.
    Da verschwand auch der letzte Rest von Benommenheit aus Jennys Kopf. Tränen und Hysterie würden Audrey nicht helfen. Damit war niemandem geholfen. Sie betrachtete die zerknitterte Papierpuppe in ihrer Hand.
    Es war ihre Schuld. Audrey war in ein schwarzes Loch gefallen, und es war Jennys Schuld, genauso wie Summers Tod ihre Schuld gewesen war. Aber Audrey war noch nicht tot.
    »Ich werde sie finden«, sagte Jenny leise zu dem Papierding in ihrer Hand. »Ich werde sie finden und dann werde ich dich in Stücke reißen. Ich werde dieses Spiel gewinnen.«
    Die Puppe lächelte weiter ihr durchtriebenes, wächsernes Lächeln, leer und bösartig.
    Michael schniefte und rieb sich die Nase. Dee untersuchte den Boden wie eine Jägerin.
    »Diesen Abdruck hätte auch ein Ufo hinterlassen können«, sagte sie. »Wenn es landet, meine ich. Ein perfekter Kreis.«
    »Oder ein Elfenring«, murmelte Michael mit belegter Stimme. »Sie hat solche Angst vor diesen Dingen –
aus Sagen und Mythen, wisst ihr?« Tom klopfte ihm auf den Rücken.
    »Der Erlkönig«, sagte Jenny grimmig. Sie beugte sich

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