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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Reizen gegenüber unempfänglich. All das könnte dich zu einem bedeutenden Herrscher machen«, hatte ihm Karl der Große, wie sein Vater jetzt draußen im Lande genannt wurde, gesagt. Einen ganzen Tag lang war der Kaiser bei ihm im Kloster geblieben und hatte bei ihrem Gang durch den Garten sogar jeden Baum, jeden Strauch und jedes Kraut bezeichnen können.
    »Meine Mutter, deine Großmutter Bertrada, hat mich schon in früher Jugend alles gelehrt, was man braucht, um in Wald und Flur zu überleben.«
    »Bist du jemals darauf angewiesen gewesen?« hatte der Sohn gefragt.
    »Ständig. Was meinst du, wie wichtig es am Hof ist, Schößlinge zu beschützen, alte Bäume zu stützen, das prachtvoll Blühende zu hegen und das Heilende vom Giftigen zu unterscheiden! Und vor allem das Unkraut auszumerzen! Das ist von großer Wichtigkeit, denn Wildwucherndes kann manche aufkeimende Nutzpflanze erwürgen. Ich wäre dir dankbar, wenn du mich bei Gelegenheit daran erinnerst!«
    Sie hatten beide gelacht. Nein, mit den Pflanzen seines Vaters wünschte Pippin nicht umzugehen. Die Zeiten, da ihm Macht über Menschen und Länder als süße Verlockung erschienen war, hatte er längst hinter sich gelassen.
    Die beiden Boten aus Aachen standen immer noch vor dem wie in Andacht versunkenen Mönch und wußten nicht recht, wie sie weiter vorgehen sollten. Einer von ihnen reichte Pippin einen Schlauch.
    »Vielleicht wünscht Ihr Euch zunächst mit ein paar Tropfen des trefflichen Falerner Weins zu stärken? Bevor wir gemeinsam aufbrechen?«
    Pippin nahm den Weinschlauch entgegen, legte ihn neben die Rolle auf das Mäuerchen und erklärte: »Ich werde nicht mit euch ziehen.« Gelassen ließ er sich wieder auf die Knie nieder und begann Unkraut auszurupfen.
    »Was sollen wir dann dem Kaiser ausrichten?« fragte der Bote ratlos.
    »Erzählt meinem Vater, bei welcher Tätigkeit ihr mich vorgefunden habt, und sagt ihm, er möge das gleiche tun wie ich. Und jetzt laßt mich allein.«
    »Vielleicht besinnt Ihr Euch doch noch eines anderen, wenn Ihr die Mitteilung unseres erlauchten Kaisers gelesen habt. Wir werden im Gastraum der Abtei nächtigen und erst morgen zurückreiten.« Der Mann deutete auf das Mäuerchen. »Vergeßt die Rolle und den Schlauch nicht.«
    Als Pippin kurz vor Sonnenuntergang die Arbeit einstellte, nahm er nur die Rolle mit in die Abtei. Er lächelte, als er daran dachte, daß ein anderer Bruder den herrenlosen Weinschlauch gewiß bei Pater Assuerus abgeben und diesem damit eine Freude bereiten würde.
    Gerswind und Bernhard trafen einen Tag später in Prüm ein. Nahe der Abtei waren ihnen die beiden kaiserlichen Boten begegnet, die ihr Erstaunen darüber ausdrückten, daß man die Reise nicht gemeinsam gemacht hatte. Auf Gerswinds Frage nach dem ältesten Sohn des Königs teilten sie ihr mit, daß dieser wohlauf sei, sich jedoch dem Wunsch des Vaters widersetze und nicht nach Aachen kommen werde.
    Gerswind atmete tief durch. Vielleicht war ihr Verdacht tatsächlich unbegründet. Dann konnte sie Karl gegenüber jetzt einen guten Grund für ihre Reise nach Prüm anführen: Sie wollte Pippin umstimmen. Er mußte unbedingt nach Aachen ziehen! Schon weil sie, Gerswind, ihn brauchte. Der schöne bucklige Sohn des Kaisers war ihr wohlgesinnt und würde seine Hand über sie, Adeltrud und Judith halten, wenn jenes geschah, vor dem sich Gerswind mehr fürchtete als vor allem anderen. Wenn Kaiser Karl starb.
    Nach den verhängnisvollen Ereignissen des Vorjahres mußte sie sich ehrlich eingestehen, daß auch der mächtige Karl nur ein Sterblicher war und mit seinen dreiundsechzig Sommern bereits die meisten Gefährten seiner Jugend überlebt hatte. Und es war nicht zu übersehen, daß seine Kräfte nachgelassen hatten. Er konnte sich nicht mehr so lange im Sattel halten wie früher, und die Gicht setzte ihm jetzt häufiger zu, auch wenn er dies zu verbergen suchte. Unter seiner zunehmenden Schlaflosigkeit litten alle Berater, denn Karl ließ inzwischen allnächtlich einen oder mehrere von ihnen aus dem Schlaf reißen, weil er etwas zu bereden hatte oder niedergeschrieben haben wollte. Der sonst stets so gelassene Kaiser wirkte dabei manchmal so gehetzt, als fürchte er, daß ihm nicht ausreichend Zeit verblieb.
    Nach solchen Beratungen rief er Gerswind fast immer zu sich. Wenn sie dann sein Gemach betrat, wußte sie nie, in welcher Verfassung sie den Kaiser vorfinden würde. Oft forderte er sie zum Bleiben auf und setzte ihr dann

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