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Die Bibel für Eilige

Titel: Die Bibel für Eilige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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machen die Lampen schnell fertig, gießen das mitgebrachte Öl nach, gehen los, ihm entgegen. Die anderen bitten darum,
     die Ölvorräte zu teilen, schwesterlich zu teilen. Die »Klugen« wehren schroff ab: Dann würde es auch für uns nicht mehr reichen,
     dann ist keinem genutzt. Geht los, kauft schnell noch Öl. Jeder sorge für sich! Dann gehen sie schnell los, ohne Rücksicht
     auf die »Törichten«. Der Bräutigam kommt. Das Fest beginnt. Die Festtür wird verschlossen. Die Welt teilt sich in »die drinnen«
     und in »die draußen«. Die Einen sind nun im »Gelobten Land« – wen oder was sie zurücklassen, scheinen sie zu vergessen. Sie
     sind ja drinnen. Kein Deut Solidarität mehr mit den zurückgebliebenen Schwestern. Auch keine Fürsprache beim Bräutigam, als
     sie schließlich nachkommen, anklopfen und um Einlass bitten.
    Mein lieber Herr Jesus, tu doch auch den Zuspätkommenden auf! Verzeih auch unsere Schuld, unsere Vergesslichkeit und die fehlende
     innere und äußere Vorbereitung auf Dein Kommen. In der Mitte der Nacht willst Du kommen. Sie ist der Anfang des Tages.
    Ist jetzt nicht schon genug Nacht?
    Komm! Mit jedem Tag sind wir schlechter vorbereitet, erschöpft sich das Feuer der Erwartung. Komm! Und lass keine und keinen
     draußen.
    |253| Warum habt ihr Angst?
    (Matthäus 8,23–27)
     
    Er steigt in ein Boot, verlässt den festen Boden unter den Füßen, begibt sich in Gefahr. Er vertraut sich einem Gefährt an.
     Auf engstem Raum sind sie zusammen. Das Boot trägt über das Wasser und schaukelt hin über die (Un-)Tiefen. Mit ihm sitzen
     sie in einem kleinen Boot. Das Gleichgewicht halten. Auf Gedeih und Verderb ist aufeinander angewiesen, wer in einem Boot
     mit anderen unterwegs ist.
    Sie lassen sich treiben, sie verharren auf der Stille des Wassers, im gleißenden Sonnenlicht. Aus heiterem Himmel ein Sturm.
     Die Wellen peitschen hoch. Die Angst schlägt hoch. Die Schlagadern pochen. Das Wasser braust wütend. Die Gischt schäumt. Das
     Herz stockt. Auf den Kamm der Wellen werden sie hochgerissen und ins Wellental hinabgestürzt. Jede herankommende Welle – ein
     neuer Schub Angst. Jetzt ist es aus. Jeden Moment kentern können. Kein Rettungsring ist da; selbst wenn einer da wäre, brächte
     er keine Rettung – viel zu weit ist das Ufer, viel zu gering die Kraft, viel zu unbarmherzig schlägt das aufgeregte Wasser
     zu. Aus heiterem Himmel ein Sturm, unbändige Kraft, nicht zu bändigende Kraft, der der Mensch nicht gewachsen ist – am Leib
     nicht und mit seiner Seele nicht.
    Lebensangst. Todesangst. Urangst. Plötzlich ganz ausgeliefert sein. Ein letzter Gedanke: »Das Leben war doch schön.« Ein Entrinnen
     gibt es nicht. Noch einen Moment leben – es könnte der letzte gewesen sein. Während alle anderen vor Angst schier vergehen,
     schläft einer. Er schläft ungerührt und unberührt von der Gefahr. Die Verängstigten wecken ihn. Kyrie! Herr, hilf! Wir kommen
     um! Gleich ist alles aus! Schreite du ein! Wir haben keine Aussicht auf Rettung. Wir sind mit unseren Kräften am Ende. Unsere
     Sicherheitssysteme haben versagt. Auf eine so |254| plötzliche Bedrohung sind wir weder eingerichtet noch vorbereitet. Wie gesagt: aus heiterem Himmel ein bedrohlicher Sturm.
     Die Tiefen des Wassers werden uns verschlingen.
    Wüstensturm. Bombenteppiche.
    Weihnachtsbäume über dem Himmel Dresdens.
    Selbstmordattentate. Terroranschläge.
    Panzerattacken. Stalinorgeln.
    Überschwemmungen. Dürrekatastrophen. Epidemien.
    Anthrax. Sarin.
    Amoco Cadiz. Erika. Prestige: Ölpest.
    Tornado. Wüstensturm.
    Gettysburg. Tschernobyl. Temelín.
    Eschede. Estonia. Lockerby.
    San Salvador.
    Ein Anschlag aus heiterem Himmel. Ein weltweites Netzwerk des Terrors.
    Ungreifbar.
    Ein Aus-versehen-Atomkrieg.
    Grosny. Beirut. Kandahar. Jerusalem. Ramallah. Ruanda. Indonesien.
    New York. Washington. Mazar-i-Sharif. Bagdad.
    Krebs. HIV-positiv. Schlaganfall.
    Unstillbarer Sturm der Angst.
    Untiefen. Unrettbar ausgeliefert.
     
    Dann nimmt er den äußeren Grund der Angst weg. Der Sturm muss sich ergeben. Die Urgewalt der Natur muss gehorchen. Brausender
     Sturm und aufgewühltes Meer, der aufgesperrte Rachen des Todes: zugeklappt. Wie das Unglück kam, so geht es. Dem höllischen
     Aufruhr folgt Stille. Ruhe. Ganz still. Alles. Tröstliche Ruhe nach dem Sturm.
    Mit IHM im Boot zu sein heißt: durch die Gefahren hindurchkommen. Die Regentin ›Angst‹ ist zuerst zu besiegen; |255| sodann legt sich auch der

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