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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Geschichtswissenschaft noch nie gegeben hat! Das heißt Weltruhm, un-vor-stell-bar viel Geld und ewiger Dank der Nachkommen! Warum sollte ich all das mit jemand teilen wollen? Bevor ich Ihnen das Päckchen schickte, habe ich mich über Sie informiert, habe all Ihre veröffentlichten Bücher gelesen und bin zu dem Schluss gekommen, dass Sie als Wissenschaftler keine Gefahr für mich darstellen. Sie haben sich mit kleinen faktographischen Forschungen befasst, ich habe in Ihren Artikeln weder Fantasie noch Konzepte von Format entdeckt.«
    Nicholas’ Mundwinkel verzogen sich nach unten. Jetzt fängt der auch noch an! Aber Bolotnikow hatte nicht gemerkt, dass er in der Seele des kleinkalibrigen Magisters eine nicht verheilende Wunde aufgerissen hatte.
    »Sie haben sich nie mit der Liberey beschäftigt. Wahrscheinlich wissen Sie nur vom Hörensagen von ihr. Gott sei Dank interessiert Sie nur die Geschichte Ihres kostbaren Geschlechts. Jetzt sehe ich, dass ich Sie unterschätzt habe. Sie haben alles blendend verstanden und sich den Beistand von gewichtigen Bündnispartnern verschaffen können. Ich frage Sie nicht, wer diese Männer sind, sagen Sie nur: Haben sie etwas mit irgendwelchen geschichtswissenschaftlichen Institutionen zu tun?«, fragte der Archivar verängstigt.
    Fandorin konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Nein, diese Herrschaften kommen von einem ganz anderen Fach.«
    »Gott sei Dank!«, frohlockte Maxim Eduardowitsch. »Das heißt, wir sind die einzigen Fachleute, die etwas von der Liberey wissen? Dann ist noch nicht alles verloren! Hören Sie, Fandorin, Sie sind in Russland fremd, Sie sind ein Ausländer, und letztendlich sind Sie im Vergleich zu mir ein Dilettant.« Nicholas verzog wieder das Gesicht, protestierte aber nicht. »Lassen Sie es nicht zu, dass mich Ihre Kopfgeldjäger zerfleischen! Lassen Sie uns die Liberey zusammen suchen, ja? Ich kenne mich hervorragend aus mit der Topografie Moskaus im 17. Jahrhundert, ich kenne die Dokumente, ich habe weit gefächerte Beziehungen zu Museums-, Architektur – und sogar Tiefbaukreisen. Was brauchen wir beide eine Kommission? Wenn wir die Liberey nicht finden, heißt das, niemand wird sie finden. Geizen Sie nicht – Ehre und Geld reichen für uns beide. Wir lassen es nicht zu, dass gierige Geschäftsleute sich die Bibliothek Band für Band unter den Nagel reißen und sie dann heimlich auf internationalen Auktionen verscherbeln. Iwans Bibliothek ist wertvoll als komplette Sammlung. Denken Sie nicht, ich hätte all diese Tage keinen Finger krumm gemacht, ich bin recht weit gediehen. Ohne mich wird es für Sie schwer sein. Ich flehe Sie an, schließen Sie mich nicht von der Suche aus! Ich sterbe sonst!«
    Es ist schwer, den Blick eines Menschen auszuhalten, der dich mit solcher Angst und solcher Hoffnung ansieht. Fandorin wich dem Blick aus und sagte seufzend:
    »Gut, Maxim Eduardowitsch. Umso mehr, als ich Sie an Ihrer Suche nicht hindern könnte. Lassen Sie uns Zusammenarbeiten. Ich komme tatsächlich schlecht ohne Ihre Erfahrung und Ihre Kenntnisse weiter. Nur bedenken Sie, dass Sie sich auf eine sehr gefährliche Sache einlassen. Außer uns beiden weiß noch ein Dritter von der Liberey.«
    »Ach! Das habe ich ja gewusst!«, sagte der Archivar stöhnend und fragte: »Ein Historiker? Bljumkin? Golowanow?«
    »Nein. Ein Mafiaboss mit dem Spitznamen Sedoi.«
    Bolotnikow beruhigte sich sofort und sagte:
    »Das macht ja nichts. Er hat wahrscheinlich etwas von der Bibliothek Iwans des Schrecklichen läuten gehört, als die Kommission gearbeitet hat und will damit ›ein Mordsgeschäft machen‹. Eine Zeit lang belagerten mich ein paar suspekte Gestalten und versprachen mir ›einen Haufen Bucks‹, wenn ich einen Auftrag übernähme. Ich dachte, es ginge um Diebstahl von Archivmaterial und ließ sie abblitzen. Vielleicht waren das ja Gesandte von Ihrem Siwoi.«
    »Sedoi«, verbesserte der Magister. »Klar. Die haben Wind bekommen von Ihrem Interesse an der Liberey und überwachen Sie.«
    »Hol sie der Teufel!«, sagte Maxim Eduardowitsch und zuckte unbekümmert die Achseln. Es war frappierend, wie abrupt dieser Mann von Verzweiflung zu Selbstsicherheit wechselte. »Ich sehe, wir beide haben durchaus jemand, der sich für uns einsetzt. Lieber Sir, lassen Sie uns besser ans Werk gehen. Mit welchem Punkt wollen Sie beginnen?«
    »Mit dem, bei dem Sie angelangt sind. Was haben Ihre Voruntersuchungen ergeben?«
    ***
    Wie sich herausstellte, hatte Bolotnikow

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