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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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eh in Brand setzen. Hier, gucken Sie mal . . .«
    Die beiden Historiker beugten sich über eine detaillierte Karte des alten Moskau, die der kluge Maxim Eduardowitsch aus einem holländischen Plan des Jahres 1663, einer Zeichnung des schwedischen Diplomaten Palmerston aus dem Jahre 1675 und Straßenskizzen der Geheimen Kanzlei kompiliert hatte.
    »Sehen Sie die Linie des Erdwalls und die Türme, die auf ihm stehen? Es gibt geschlossene Türme und Türme mit einem Tor. Die Suche sollte folgendermaßen verlaufen, Fandorin: Zuerst müssen wir herausfinden, von welchem Tor in dem Brief die Rede ist . . .«
    Nicholas fragte verwundert:
    »Entschuldigung, aber ist das nicht klar? Es heißt doch in dem Brief: Steintor, und sogar der Name der Straße, die von ihm abgeht, ist angeführt: Schwarze Sloboda.«
    »Auf das Tor kommen wir später noch einmal zurück«, sagte Bolotnikow, der erst seine Gereiztheit überwinden musste. »Was die Straße betrifft, so muss ich Sie enttäuschen. Sie haben mir Ihre Übersetzung des Briefes ins moderne Russisch gezeigt, und mir ist sofort ein gravierender Fehler aufgefallen: Ihr Computerprogramm hat nach eigenem Ermessen Großbuchstaben gesetzt, wo das im Original natürlich nicht der Fall ist, weil das damals noch nicht üblich war. Deshalb hat sich insbesondere die Beschreibung der Straße bei Ihnen in einen Eigennamen verwandelt. Es gab keinerlei Straßennamen Schwarze Sloboda, der Verfasser des Briefes meint eine der schwarzen Vorstädte, von denen es damals um den Skorodom herum mindestens anderthalb Dutzend gab. Wir wissen heute nicht exakt, wie viele es wirklich waren, weil nicht alle Register der damaligen Zeit erhalten sind. Eine schwarze Vorstadt, das ist eine Siedlung, in der das einfache Volk, der zu Abgaben verpflichtete Stand, wohnte: Handwerker, Ackerbauern, kleine Händler.«
    Diese Nachricht verwirrte Nicholas. Er hatte auf dem Plan der Moskauer U-Bahn die Haltestelle Nowoslobodskaja gesehen und hatte im Stillen die Hoffnung gehegt, die gesuchte Tschernoslobodskaja, die Schwarze-Vorstadt-Uliza, läge in der Nähe. Und eine neue, noch düsterere Ahnung überkam den Magister auf einmal.
    »Erlauben Sie«, sagte er mit niedergedrückter Stimme, »dann handelt es sich auch bei dem Tor nicht unbedingt um das Steintor, sondern womöglich einfach um ein steinernes Tor. Wie sagten Sie, wie viele Tore gab es im Erdwall?«
    »Das war je nach Zeit unterschiedlich. In den siebziger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts waren es zwölf richtige Tore, und bei einigen Türmen hat man später zusätzlich einen Durchbruch vorgenommen.«
    »Und alle Tore waren aus Stein«, sagte Fandorin und nickte niedergeschlagen.
    Bolotnikow guckte ihn mit einem seltsamen Lächeln an, ließ eine Pause verstreichen und erklärte triumphierend:
    »Nein, eben nicht! Es gab nur zwei Steintore: das Kaluga-Tor und das Serpuchow-Tor, die am Ende der Regentschaft von Michail Fjodorowitsch gebaut wurden. Die anderen Türme über den Toren waren aus Holz. Wir müssen herausfinden, welches dieser beiden Tore gemeint ist, wir müssen den Umriss der schwarzen Vorstadt rekonstruieren, und wenn wir dann von dem gefundenen Stadttor aus eine Strecke von 230 Sashen, das heißt 490 Meter auf der Hauptstraße dieser schwarzen Vorstadt abmessen, erfahren wir, wo das Haus, das wir suchen, ungefähr gestanden hat. Dann werde ich ins Moskauer Stadtarchiv gehen, die Geschichte dieses Grundstücks studieren und herausfinden, was für Bauten da wann gestanden haben und was aus ihnen geworden ist. Möglicherweise gelingt es, Angaben über die Bebauung im siebzehnten Jahrhundert zu finden – über ein Haus auf einem ›vornehmen‹ (das heißt, da ihm das Feuer nichts anhaben kann, wahrscheinlich steinernen – Unterbau. Selbst wenn die nötigen Informationen nicht zu finden sind, ist die Zone, in der wir suchen müssen, dann klar definiert!«
    »Nichts leichter als das!«, sagte Fandorin frohlockend, war aber gleich wieder auf der Hut und gab zu bedenken: »Warten Sie mal, das heißt doch, Sie können die Suche sehr gut ohne mich zu Ende führen. Sie finden das Grundstück, wenden sich an die städtischen Behörden und bekommen von denen garantiert Unterstützung.«
    Der Archivar schnitt eine Grimasse und schaute verdrossen auf den mit Liebe gezeichneten Plan des alten Moskau.
    »So leicht nun auch wieder nicht. Dafür müssen wir noch ganz schön schuften. Halten wir also fest: Was das Tor betrifft, so haben wir keine

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