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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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für Eure Bemühungen einen Altyn, wenn’s hochkommt zwei. Wenn Ihr mir aber helft, den Sack nach Hause zu schleppen, dann gebe ich jedem von Euch einen Rubel und obendrein noch eine Flasche Rheinwein.‹ Und was meint Ihr?«
    »Sie haben ihn wirklich nach Hause geschleppt?«, fragte Cornelius verblüfft.
    »Nicht nur das. Sie haben ihn nicht nur geschleppt, sondern mich auch noch bewacht, haben mir über die Straßengräben geholfen und mich am Ellbogen gestützt. Und als ich sie dann auszahlte, haben sie sich lange verbeugt. Haben gebeten, ich möge auch in Zukunft an sie denken, wenn ich sie brauche.«
    »Ihr seid einfach toll! Ich möchte auf Euch trinken!«
    Der Hauptmann streckte seine Hand nach der verführerisch funkelnden Karaffe aus, neben der zwei Tonbecher standen, die an einem guten Tag auf dem Markt nicht mehr als eine halbe Kopeke kosten würden. Nur in der absonderlichen Behausung des kauzigen Apothekers vertrug sich edles venezianisches Glas mit grobem Handwerk.
    Walser hielt noch den Pfropfen fest.
    »Nein, mein lieber Cornelius. Ihr erlaubt es mir doch, Euch so zu nennen? Das ist kostbarer Wein aus Zypern, den ich seit Langem für diesen feierlichen Tag aufbewahre. Und natürlich werden wir beide ihn trinken, aber nicht hier, sondern unten, wo die große Beute auf uns wartet.«
    »Dann lasst uns doch endlich gehen!«
    Sie entfernten zusammen die beiden Steintafeln und stiegen die Holztreppe hinab in den geheimen Keller.
    Der geöffnete Tolobas mit dem zurückgeklappten Deckel war bis zur Hälfte voll mit Büchern in Einbänden, die in allen Regenbogenfarben schillerten. Der Hauptmann fiel andächtig auf die Knie und streichelte die Smaragde, Saphire und Rubine.
    »Und wo ist der Samoley? Ich sehe ihn nicht.«
    »Er ist hier auf dem Tisch. Ich habe es nicht ausgehalten und schon einen Blick hineingeworfen.«
    »Na und?«, fragte von Dorn und blickte neugierig auf das aufgeschlagene Buch, das mit seinen breiten Seiten im Halbdunkel gräulich schimmerte. »Könnt Ihr das lesen?«
    Er näherte sich dem Buch und stellte die Kerze im Tonleuchter auf den Tisch, auf dem schon die Karaffe mit den Bechern stand.
    Die Blätter waren mit blassbraunen Schriftzeichen wie mit dichten Spinnweben überzogen. Und diese Schnörkel sollten das Geheimnis einer großen Transmutation bergen?
    »Ich verstehe eins nicht«, sagte der Hauptmann nachdenklich, während er den Wein eingoss. »Warum braucht Ihr das ganze Gold des Weltalls, teurer Herr Walser? Ihr seid begütert genug, um Euch alles Notwendige leisten zu können. Mein gelehrter Bruder, der Abt eines Benediktinerklosters ist, sagte immer: ›Reichtum drückt sich nicht in Zahlen aus, sondern in einem Gefühl. Der eine fühlt sich arm, obwohl er eine Rente von hunderttausend Dukaten hat, weil ihm alles zu wenig ist. Ein anderer ist auch mit hundert Talern reich, weil er damit auskommt und sogar noch etwas übrig bleibt.‹ Ihr gehört zweifelsohne zur zweiten Kategorie. Warum habt Ihr so viele Jahre und Kraft auf das Finden eines Schatzes verwandt, den Ihr nicht braucht? Das verstehe ich nicht. Wie dem auch sei, jedenfalls ist Ihr Traum jetzt in Erfüllung gegangen. Lasst uns darauf trinken! Ich kann es nicht erwarten, Ihren tollen Zypernwein zu probieren.«
    »Moment.«
    Der Apotheker wurde auf einmal ernst, vielleicht hatte er sogar irgendwie Angst – er leckte sich nervös die Lippen und knackte mit den Fingern.
    »Ihr . . . Ihr . . . Ihr habt völlig Recht, mein Freund. Ich habe sofort verstanden, dass Ihr nicht nur kühn, sondern auch intelligent seid. Umso leichter fällt es mir, einem klugen und großherzigen Menschen zu gestehen . . .«
    »Was?«, sagte von Dorn lächelnd. »Habt Ihr Euch getäuscht, und im Samoley steht etwas Belangloses? Ihr könnt kein Magisterium, keine Rote Tinktur oder wie Ihre magische Substanz auch hieß mithilfe dieses staubigen Buches herstellen? Macht nichts. Meine Ausbeute reicht für uns beide. Ich teile mit Euch – umso mehr, als Ihr ja wirklich gar nicht viel braucht. Wenn Ihr wollt, kaufe ich Euch ein hervorragendes Haus in der Nähe von meinem Schloss. Ich baue mir ein richtiges französisches Chateau, mit Türmen und einem Graben, aber es soll auch große Fenster und wohnliche Zimmer haben. Euch kaufe ich einen prächtigen Hof mit einem wunderbaren Garten. Da könnt Ihr in der efeuumrankten Laube sitzen und Eure langweiligen Bücher lesen. Vielleicht verfasst Ihr auch selber ein philosophisches Traktat oder schildert

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