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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Kopf war. Er musterte den Verurteilten von Kopf bis Fuß, ächzte und trat an ihn heran.
    Der Folterknecht! Derjenige, der jetzt den armen Körper des unglücklichen Ritters von Dorn in Stücke reißen sollte!
    »Ich gestehe«, flüsterten die weißen Lippen des Hauptmanns lautlos, »Zaren. . .«
    Von der Liberey erzählen. Egal was, Hauptsache, die Qual aufschieben! Sollten sie ihn doch auf einen Haken spießen, nur nicht jetzt, später!
    »Ein Geständnis von Euch Missetätern anzuhören, ist nicht vorgesehen«, sagte der Beamte. »Du brauchst das gar nicht zu notieren, Grischka. Vor Todesangst schreit Ihr Diebe so einiges, nur glaubt Euch keiner. Komm, Silanti, mach’s kurz. Bald ist schon Zeit fürs Abendbrot.«
    Cornelius machte den Mund auf und wollte etwas schreien, was den Beamten aufhorchen lassen könnte: »Ich weiß, wo der Zarenschatz ist!« Aber der Folterknecht gab ihm eins auf die Lippen und bedeutete ihm: Halt die Klappe. Er hatte gar nicht so stark zugeschlagen, aber trotzdem spürte von Dorn sofort einen salzigen Geschmack im Mund.
    »Gute Jacke, schade, dass sie so kurz ist«, murmelte Silanti vor sich hin und schrie dem aufbegehrenden Gefangenen wie einem Pferd zu: »Parierst du wohl!«
    Er packte von Dorn an den Schultern, nickte den Gefängniswärtern zu, sie sollten zurücktreten, und schüttelte den Verbrecher ohne jede Anstrengung aus der Wattejacke. Er legte das hochwertige Kleidungsstück zur Seite und zog Cornelius auf dieselbe Weise die Strickweste aus. Das Hemd zerriss er mit einem Seufzer des Bedauerns – packte es mit einem Finger am Kragen und zog es bis zum Nabel herunter. Die Helfer rissen ihm in Windeseile die Fetzen vom Leib, und der nackte Oberkörper des Hauptmanns bedeckte sich von oben bis unten mit einer Gänsehaut.
    »Keine Angst«, sagte ihm der Folterknecht augenzwinkernd. »Gleich kommst du schon ins Schwitzen, und dann kannst du dich waschen.«
    Besser ein schneller Tod als Folter, dachte sich Cornelius, nutzte es aus, dass er die Beine frei hatte, und verpasste dem Folterknecht einen Tritt in die Leistengegend. Er müsste sich jetzt losreißen, sich eine möglichst schwere glühend heiße Zange vom Kohlenbecken schnappen und als Allererstes dem abscheulichen Beamten damit die Visage bearbeiten, dann dem Mörder Silanti und weiter, wie es sich ergab. Die Wache würde herbeieilen und ihn mit den Säbeln in Stücke hauen, aber das war egal.
    Nichts dergleichen passierte. Von dem Schlag, der jeden Mann sich vor Schmerzen auf dem Boden hätte winden lassen, stöhnte der Folterknecht nur auf, kam aber nicht ins Wanken, und die abgebrühten Gefängniswärter stürzten sich auf den Musketier und hielten ihm die Arme fest.
    »Dafür ziehe ich dir die Knochen lang, du Wurm«, sagte Silanti und stieß dem Gefangenen einen Finger direkt ins Halsgrübchen – Cornelius bekam vor Schmerz keine Luft mehr, die Knie knickten ihm ein.
    Damit er keine Zicken mehr machte, banden sie ihm einen Riemen um die Beine und schleppten ihn zu dem Wippgalgen. Sie würden seine Handgelenke auf dem Rücken festmachen und ihn dann daran zur Decke hochziehen, um ihm die Schultergelenke auszurenken, und dann würden sie ihn mit der siebenschwänzigen Knute bearbeiten und ihm mit dem glühenden Eisen die Haut verbrennen.
    Der Beamte schoss auf einmal hoch und riss sich die Mütze vom Kopf. Auch der junge Schreiber sprang auf.
    Zwei Männer betraten die Folterkammer: ein Kremlkurier im blutroten Zarenkaftan und hinter ihm noch einer, den man in dem Halbdunkel nicht richtig sehen konnte, man hörte nur den Säbel an seiner Seite klirren.
    »Ein Erlass des Vertrauten des Zaren, des Bojaren Artamon Sergejewitsch Matfejew«, erklärte der Hofbedienstete, entrollte eine Urkunde und las sie vor: »Der Bewahrer des großen Zarensiegels hat beschlossen, den als Hauptmann dienenden Deutschen Kornej Fondorin unverzüglich aus dem Kriminalgericht zu entlassen, da er, wie dem Bojaren bekannt, unschuldig ist. Und wenn jemand diesem Hauptmann Fondorin eine Entehrung oder Beleidigung zugefügt hat, so soll der Beleidiger, den Kornej anzeigt, in Eisen geschmiedet und ohne Gnade mit der Knute ausgepeitscht werden, und das sogar bis zu einem halben hundert Mal.«
    Nun trat auch der zweite Mann aus dem Schatten. Er hatte einen silbernen Kaftan und eine spitz zulaufende Zobelmütze an und war schwarz im Gesicht.
    »Iwan . . . Iwan Artamonowitsch«, sagte von Dorn und schluchzte, denn er konnte immer noch nicht ganz an das

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