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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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suchten, telefonierten mit ihren Handys und fuhren weg. Sie sahen frustriert aus. Wahrscheinlich haben sie von Sosso eins auf den Deckel bekommen.«
    Die Stirn in Falten gelegt, versuchte Nicholas die Kette der Ereignisse weiterzuverfolgen:
    »Sie wussten nicht, wo sie mich suchen sollten. Der Brillenträger aber hatte erraten, dass ich zur Uferstraße will, zur Botschaft. Letzten Endes lag das so fern ja auch wieder nicht – wohin soll ein Brite denn laufen, wenn er keinen Ausweis hat und in Gefahr ist? Der Mann hat vermutlich einen Beobachtungsposten gegenüber der Botschaft bezogen und gewartet, bis ich rauskam . . . Stopp!«, unterbrach sich der Magister. »Wieso waren Sie denn eigentlich vor der Botschaft? Das kann doch kein Zufall sein! Sie wussten doch gar nicht, dass ich Brite bin.«
    Die Journalistin blickte ihn mitleidig an, als sei er nicht ganz bei Trost.
    »Du bist doch wirklich etwas schwer von Kapee. Offenbar wirkt sich das sorgenfreie Leben negativ auf den Intellekt aus, darum seid ihr Europäer alle so lahm und begriffsstutzig. Du hast mich doch selbst gefragt, wo die Botschaft des United Kingdom ist.«
    Ach, darum kam ihm das Gesicht von Altyn so bekannt vor! Mit Maria Schneider hatte das absolut nichts zu tun.
    Ogottogott, es war einfach unbegreiflich, dass er immer noch lebte, er, der nichts sah, nichts durchschaute, nichts begriff. Es gab in seinem Notizbuch eine blumige russische Bezeichnung für einen Menschen dieses Schlages, die noch abfälliger war als das einfache »Schwachkopf«. Ach ja: »tschaynik ne Kipjatschony«, »Teekessel für Trockentee«. Sir Nicholas A. Fandorin, M A, Bt., TT, so müsste er auf seine Visitenkarte schreiben.
    »Fassen wir zusammen«, sagte Nicholas betrübt. »Das Einzige, was klar ist, ist: ein professioneller Killer will mich umbringen, ein suspekter Unternehmer will ihn daran hindern. Und was bedeutet das nun alles? Womit habe ich Sossos Sympathie verdient, und womit habe ich den fröhlichen Mann mit der Brille erzürnt?«
    Die Frage blieb unbeantwortet.
    »Es ist schon zwei Uhr nachts durch, ich falle vor Müdigkeit um«, erklärte Altyn, die vom Küchentisch auf den Boden hüpfte. »Das war heute entschieden zu viel des Guten, wir müssen schlafen. Morgen ist auch noch ein Tag.«
    Fandorin sagte seufzend:
    »Das hat mir heute schon einmal jemand gesagt.«
    ***
    Es war doch hart und unbequem auf dem Tisch. Obwohl er lang war, wenn man ihn auszog, hingen Nicholas’ Füße trotzdem herunter, und das Kopfkissen rutschte dauernd weg.
    Es gab nur eine Alternative: auf dem Fußboden. Aber das war bereits in Erwägung gezogen und entschieden abgelehnt worden.
    »Ich habe nur ein Bett, und das ist jungfräulich«, sagte Altyn, als sie von der Küche ins Zimmer ging. »Außerdem würdest du sowieso nicht reinpassen.«
    »Geben Sie mir ein paar Decken, dann richte ich mich auf dem Boden ein«, antwortete er. »Ich habe sogar schon einen Platz gefunden, an der Wand unter den riesigen Boxen. Die fallen doch nicht runter?«
    »Kommst du mit Mäusen klar?«, fragte die Gastgeberin.
    »Nein, nicht besonders«, reagierte Fandorin hellhörig. »Gibt es hier denn Mäuse?«
    Und er spähte erschreckt um sich. In dem kleinen Zimmer war es nicht besonders sauber: Das zerkratzte Parkett war schon lange nicht mehr gewischt worden, auf dem alten Büfett mit den geschnitzten Aufsätzen lagen graue Staubschichten. Außer diesem wuchtigen Möbel, das vermutlich noch aus den Zeiten des Grafen Witte stammte, gab es hier besagtes jungfräuliches Bett, einen Esstisch, einen Arbeitstisch mit Computer, eine riesige Stereoanlage, zwei Fernseher, die aufeinander getürmt waren (ach ja, sie ist ja Journalistin) und einen einzigen Stuhl. Nicht gerade gemütlich. Und es herrschte ein solches Chaos, dass der ordentliche Magister nur den Kopf schütteln konnte. Auf dem Boden lagen aufgeschlagene Bücher und Zeitungen mit braunen Ringen von der Kaffeetasse, unter dem Stuhl flog ein kleiner Sportschuh herum, und am Fenstergriff hing ein intimes Kleidungsstück zum Trocknen.
    »Es gibt hier keine Mäuse, sondern eine Maus«, antwortete Altyn, die einen Haufen Bettwäsche unter dem Bett hervorzog. »Sie heißt Alissa und wohnt dort hinter dem Büfett. Ich füttere sie mit Käse und Gebäck. Sie geniert sich, wenn Fremde da sind, deshalb hat sie sich versteckt. Aber in der Nacht kommt sie bestimmt angekrochen und will dich kennen lernen. Sie ist sehr neugierig, ganz wie ich. Wenn du sie aber nicht

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