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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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den klaren Eindruck eines Déjà-vus hatte: ein Dilettant mit der Pistole in der zitternden Hand und der Verbrecher, der ganz genau weiß, dass ein normaler, zivilisierter Mensch nicht aus nächster Nähe schießen kann.
    »Lassen Sie das!«, warnte Nicholas, der selber spürte, wie verräterisch sich in seine Stimme bittende Töne einschlichen. »Stehen bleiben! Lassen Sie das! Zwingen Sie mich nicht. . .«
    »Doch, Fedja, doch«, unterbrach ihn Schurik mit aufgesetzter Strenge, wobei er Fandorin mit einem anderen Namen anredete, und streckte die Hand nach dem heftig wackelnden Lauf aus.
    In diesem Augenblick begriff Nicholas mit aller Klarheit, dass er nie und um nichts in der Welt auf jemand würde schießen können, der ihm in die Augen schaute und lächelte. Vor Entsetzen und Hilflosigkeit verkrampften sich die Hände des Magisters unwillkürlich, und da klickte die Pistole plötzlich von alleine dreimal dumpf hintereinander. Extrem schnell: klick-klick-klick.
    Schurik brach gleichsam entzwei. Er knickte in zwei Hälften, schaute aber weiter auf den zur Salzsäule erstarrten Fandorin. Die Lippen des Killers waren noch in einem spöttischen Lächeln verzogen, doch die Augen hatten sich erstaunt geweitet, und man sah, dass das eine Auge wie vorher blau, das andere aber auf einmal braun war.
    Ihm ist wohl während der Schlägerei eine farbige Linse herausgerutscht, dachte Nicholas und wich zurück. Schurik stand noch ein Weilchen in dieser absurd verbogenen Haltung da und schlug dann seitlich auf den Asphalt. Er lag zusammengekrümmt am Boden, hielt sich mit beiden Händen den Bauch und zog die Lippen zu einem immer breiteren Lächeln auseinander.
    Nicholas bekam entsetzliche Angst. Er wusste nicht, wovor er mehr Angst haben sollte: davor, dass dieser Mann jetzt stirbt oder davor, dass er aufsteht und wieder mit seinem unheimlichen Lächeln auf ihn losgeht.
    Aber Schurik stand weder auf, noch starb er – sein Fuß zuckte in dem schweren Schuh, und er ließ in regelmäßigen Abständen ein leises Wimmern hören:
    »A-a-a-a . . .«
    Aus seinem Mund floss Blut, es hatte sich schon eine kleine dunkle Lache gebildet.
    Wlad kam zu sich. Er setzte sich auf und schüttelte den Kopf, als ob er einen morgendlichen Kater verjagen wollte. Warf einen Blick auf Nicholas und auf den daliegenden Schurik. Nahm den Schlüsselbund und stand leichtfüßig auf. Wischte sich mit dem Ärmel des unwiderruflich ruinierten Jacketts den zerschlagenen Mund ab.
    »Hast du diese widerliche Laus geknackt«, fragte Solowjow, der Fandorin jetzt duzte. »Toll. Mannomann, Michael Jordan, du hast ja vielleicht nette Freunde! Hast du mitgekriegt, wie der mich verdroschen hat?«
    »Er kann Karate und ist Träger des 5. Dan«, erklärte Nicholas, ohne die Augen von dem verwundeten Killer abzuwenden. »Wir brauchen einen Notarzt.«
    »Ja, natürlich.« Wlad ging zu ihm hin und stellte sich neben ihn. »Träger des 5. Dan. Dann ist mir alles klar. Ich habe nur den vierten. Was guckst du denn so? Du siehst doch, dass es dem Mann nicht gut geht. Der Notarzt, der ist doch bei dir, also fackel nicht lange.«
    Er deutete auf die Pistole, die Fandorin immer noch in der Hand hielt. Nicholas starrte Solowjow fassungslos an. Das konnte doch wohl nicht wahr sein, dass der den Verwundeten töten wollte!
    »Was stellst du dich so an, ist das etwa dein erstes Mal?« Wlad schüttelte seinen goldenen Schopf. »Umso toller. Bist mit so einem Wolf fertig geworden. Mach dir nicht in die Hose, mein Lieber, mach Schluss. Er tut es sowieso nicht mehr lange. Er hätte uns beide abserviert, ohne mit der Wimper zu zucken . . . Mach schon! Gut, dann mache ich es eben.«
    Er nahm die Waffe aus den nachgiebigen Fingern des Magisters und zielte auf Schuriks Kopf.
    »Guck weg, wenn du so empfindlich bist.«
    Er hätte den Mord verhindern müssen, aber Fandorin überkam eine merkwürdige Apathie, er hatte nur noch die Kraft, sich abzuwenden.
    Noch eine klickende Salve, und das Gewimmer hatte ein Ende.
    Solowjow legte seinen Arm um Nicholas’ Schulter und führte ihn schnell zum »Jaguar«.
    »Das war’s, Landsmann, das war’s. Nichts wie weg von hier.«
    Er wischte die Beretta geschwind mit einem Tuch ab, holte das noch nicht leere Magazin aus dem Griff und warf die Pistole auf den Asphalt. Und erklärte:
    »Sonst lesen sie noch die kleinen Jungen von hier auf und machen Unsinn. Die Munition werfe ich später weg. Geh ins Auto, wunderbarer Unbekannter. Da hab ich mir ja was

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