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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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er versteinert stehen blieb.
    Der geschickte Normanne riss die Tür auf, so dass Schurik mit dem Gesicht auf den Asphalt plumpste. Es stellte sich heraus, dass er in der rechten Hand, die bisher nicht zu sehen gewesen war, die dem Magister wohl bekannte Pistole mit dem matten schwarzen Rohr hielt.
    Wlad Solowjow nahm die Pistole, sah sie sich an und gab Fandorin, ohne sich umzudrehen, ein Zeichen, er möge zu ihm kommen. Der näherte sich auf steifen Beinen und blieb in einiger Entfernung vor dem reglosen Körper stehen.
    »Eine dreiundneunziger ›Beretta‹«, meldete Solowjow ehrfürchtig. »Das ist eine ernst zu nehmende Knarre. Sie kann drei Schuss auf einmal abfeuern. Da bin ich ja wohl in eine ziemliche Kacke reingerasselt. Wer ist dieser Towarischtsch?«
    Mit der Spitze des Stiefels stieß er gegen die verdrehte Hand des leblos Liegenden.
    Nicholas konnte nicht antworten, weil die Hand auf einmal lebendig wurde und Wlad am Stiefel packte. Ohne aufzustehen, krümmte sich Schurik zusammen und versetzte dem Gegner mit einem Angriff beider Füße einen Schlag gegen den anderen Stiefel.
    Solowjow fiel auf den Rücken, während der Killer jählings seine Knie gegen das Kinn drückte und sich mit einem Satz auf die Beine schwang. Ohne den Normannen zu sich kommen zu lassen, stieß er mit dem Schuh (heute trug der Hippie nicht Sportschuhe, sondern schwere Wanderschuhe) gegen die Pistole, die Waffe flog zur Seite und hüpfte über den Asphalt. Schurik drehte sich auf dem Absatz um und setzte zu einem Schlag in die Gegenrichtung an, er zielte auf das Kinn des Feindes. Doch Wlad wich aus, machte einen Salto und kam wieder zum Stehen. Der ganze Rücken des wunderbaren cremefarbenen Jacketts hatte nun schwarze Flecken.
    Die Hände leicht über der Gürtellinie, stürzte Schurik vorwärts. Wie die Schaufeln eines Ventilators verschwammen Arme und Beine in einem einzigen Wirbel. Nicholas hatte früher solche Prügeleien nur in Filmen aus Hongkong gesehen und war der Meinung, es handele sich um reinen Bluff. Kurze heisere Schreie und saftiges Knallen der Schläge lösten einander ab. Es war klar, dass hier zwei Meister des Faustkampfes aneinander geraten waren, aber das gab Fandorin noch nicht das Recht, sich herauszuhalten. Er schrie lauthals und stürzte sich auf den Killer. Nicht um ihn zu Fall zu bringen, daran war nicht zu denken, sondern nur um ihn abzulenken und wenigstens so dem in Bedrängnis geratenen Solowjow zu helfen.
    Die Hilfe war von kurzer Dauer. Ohne sich umzudrehen, führte Schurik einen Tritt nach hinten aus und traf Nicholas genau in der Leistengegend; der Magister ging in die Knie. Das grenzenlose All schrumpfte schlagartig auf die Maße getroffen Stelle zusammen.
    Fandorin watschelte wie eine Ente zur Seite. Herrgott, wie weh das tat!
    Da erblickte der Verletzte auf einmal die Pistole: Sie lag am Straßenrand und glitzerte teilnahmslos in der Sonne. Nicholas vergaß seinen Schmerz, stürzte sich auf die Waffe, packte sie und drehte sich um, genau im richtigen Moment, um das Finale des beeindruckenden Zweikampfes mitzubekommen.
    Der unter dem Ansturm des wendigen Schurik zurückgewichene Wlad Solowjow war mit seinem hohen Absatz an einem Kanaldeckel hängen geblieben. Er schwankte, ruderte mit den Armen, und schon traf ihn ein mächtiger Tritt mit der Schuhsohle direkt auf die ungeschützte Brust. Er fiel mit ausgestreckten Händen um und blieb reglos liegen.
    »Keine Bewegung! Hände hoch!«, brüllte Fandorin den Killer mit vorgehaltener Pistole an.
    Er hatte noch nie eine Schusswaffe in den Händen gehalten, aber Nicholas wusste, dass irgendwo am Griff die Sicherung sein musste. Wenn man die Pistole nicht entsichert (oder sagt man: die Sicherung entfernt), löst sich kein Schuss.
    Mit der linken Hand tastete der Magister die glatte Oberfläche ab, rechts, links, und verschob einen kleinen Hebel. Er konnte nur hoffen, dass dies die Sicherung war. Jetzt musste er extrem vorsichtig sein, er brauchte nur den Zeigefinger ein wenig zu bewegen, schon könnte ein Schuss fallen.
    »Hände hoch!«, brüllte er noch einmal Schurik an, der bei dem besiegten Gegner stand und den Magister mit einem nachsichtigen Lächeln ansah. Er schüttelte den Kopf und ging auf Nicholas zu.
    »Stehen bleiben!«, brüllte Fandorin noch lauter. »Ich schieße! Ehrenwort!«
    Schurik dachte nicht daran, diesem Ehrenwort zu glauben, und verlangsamte seinen Schritt nicht.
    Nicholas hatte diese Szene so oft im Kino gesehen, dass er

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