Die Bischöfin von Rom
Unterkunft in einer Herberge nahe des westlichen Haupttores. Branwyn blieb den Abend über in sich gekehrt und ging früh zu Bett; schon sehr zeitig am nächsten Morgen drängte sie wieder zum Aufbruch.
Zügig trotteten die Esel dahin; allmählich versank die Silhouette von Augusta Taurinorum im leichten Nebel, der heute über der Landschaft hing. Erst in der Mitte des Vormittags lichtete er sich, verdichtete sich aber am späteren Nachmittag wieder, und so blieb es mehr als eine Woche lang. Die Freundinnen zogen am äußersten Rand der Poebene nach Südosten, überquerten den Fluß Tanaro und erklommen die ersten Randhöhen der Ligurischen Berge. Weitere zwölf Tage folgten sie einem Saumpfad durch dieses Mittelgebirge, bis die Höhenzüge sich unweit der Stadt Carrara mit ihren Marmorbrüchen zum Meer absenkten.
Inzwischen war es Anfang Dezember geworden, aber noch immer blieb das Wetter mild. Nur gelegentlich, wenn der Wind Regenwolken über die See herantrieb, wurde das Reiten unangenehm. Ansonsten kamen die Frauen auf ihren Grautieren gut über die Küstenebene voran. Als sie auf die Mündung des Arno stießen, dauerte es nicht lange, bis sich ein Fischer fand, der sie in seinem Kahn übersetzte. Jenseits des breiten Stromes tauchten zu ihrer Linken die Hügel der Toskana auf; nachdem wiederum eine Woche vergangen war, gelangten sie ans Ufer des Ombrone und brachten diesen Fluß abermals mit Hilfe eines Fergen hinter sich.
Samira drückte dem Fährmann ein paar kleine Münzen in die Hand, dann deutete sie landeinwärts nach Südosten, wo sich nun schon sehr nahe die Bergketten Etruriens zeigten, und erklärte ihrer Gefährtin: »Dort drüben liegt unser Ziel. In drei Tagen werden wir das Amiata-Massiv passieren, dessen wuchtigen Gipfelgrat du bereits von hier aus erkennen kannst, und noch einmal zwei bequeme Tagesmärsche bringen uns sodann zu meiner Höhle unweit des Bolsena-Sees.«
»Ich werde sehr froh sein, wenn wir es geschafft haben«, antwortete Branwyn; dabei wurde ihr bewußt, wie abgespannt und müde sie sich fühlte.
»Und ich freue mich darauf, einen solch lieben Gast, wie du es bist, in meiner Grotte beherbergen zu dürfen, und dich in ihre Geheimnisse einzuweihen«, entgegnete die Sibylle, ehe sie sich wieder auf den Rücken ihres Esels schwang.
Branwyn folgte ihrem Beispiel; nach einer Weile, weil der frische Reitwind ihre Sinne belebte, schien die Erschöpfung von ihr zu weichen. Doch in der Nacht, die sie, bereits ein Stück in den Hügeln, unter dem durchlöcherten Dach einer verlassenen Hirtenhütte verbrachten, schlief sie schlecht, träumte unruhig und schreckte zuletzt mit einem angstvollen Schrei hoch. Auch Samira erwachte; auf ihre besorgten Fragen erwiderte Branwyn, sie habe wohl unter einem Alptraum gelitten. Tröstend nahm ihre Gefährtin sie in die Arme; bald forderte die Müdigkeit der beiden Frauen neuerlich ihr Recht – und keine von ihnen ahnte, welches Unglück schon wenig später über sie hereinbrechen sollte.
***
Es geschah, als sie sich auf einem ungeschützten Hang direkt unter dem Gipfelmassiv des Amiata befanden.
Schon seit dem Morgen litt Branwyn unter Gliederschmerzen; zudem befiel sie in regelmäßigen Abständen ein äußerst unangenehmes Frösteln.
Um Samira nicht zur Last zu fallen, hatte sie bei jedem derartigen Anfall die Zähne zusammengebissen und sich eingeredet, ihr Zustand müsse mit den tiefhängenden, schneeschwangeren Wolken zusammenhängen, die der eisige Wind seit gestern von Norden herantrieb. Auch jetzt wieder, als sie unter ihrem Umhang neuerlich unkontrolliert zu zittern begann, gab sie dem Wetter die Schuld – doch im nächsten Moment wurde sie von einem jähen Schwächeanfall übermannt. Urplötzlich tanzten feurige Funken vor ihren Augen, Übelkeit würgte sie, dann verlor sie den Halt im Sattel und stürzte halb besinnungslos zur Erde.
Erschrocken sprang Samira vom Rücken ihres Esels, hastete die paar Schritte zu ihrer Gefährtin und kniete bei ihr nieder. Branwyn spürte die kühlen Hände der Sibylle auf ihren Wangen und der Stirn; einen Lidschlag später vernahm sie undeutlich die Stimme der Freundin: »Die Göttin möge dir beistehen! Du hast hohes Fieber!«
Die Kranke wollte etwas erwidern, brachte in ihrer Kraftlosigkeit jedoch nur ein undeutliches Murmeln zustande.
»Streng dich nicht an!« hörte sie Samira sagen. »Bleib ganz ruhig liegen, ich bin gleich wieder bei dir!«
Als die Sibylle zurückkehrte, hielt sie eine
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