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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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sehnen, und gleichermaßen in die Städte der Römer im Osten und Süden Britanniens.«
    »Bist du deswegen dorthin unterwegs?« erkundigte sich Branwyn. »Ich meine, ihr Barden seid ja nicht allein Dichter und Sänger, sondern zudem häufig Berater und Boten von Fürsten …«
    »Darauf würde ich gewiß nicht jedem antworten«, versetzte Eolo Goch. »Aber«, er schenkte ihr einen warmen Blick, »dir darf ich vertrauen, das spüre ich. – Ja, es ist so, wie du vermutest. Ich erfülle einen wichtigen Auftrag der Tudurs, und mein Ziel ist der Fürstensitz von Tintagel auf der Halbinsel von Kernow ganz im Südwesten Britanniens, wo die Völker der Durotrigen und Dumnonier leben, welche das Römische Imperium ebensowenig lieben wie wir …«
    Eine Zeitlang herrschte Schweigen, dann wechselte der Barde das Thema: »Doch jetzt genug von diesen Dingen. Viel wichtiger ist im Augenblick die Frage, was aus dir werden soll? Du willst doch gewiß nicht hier in der Einsamkeit bleiben, oder?«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Zwar ist das Land hier am Eryri Gwyn einzigartig schön, aber ich habe mich die ganze Zeit nach menschlicher Gesellschaft gesehnt. Und nun, da ich von dir erfahren habe, daß es sowohl auf der großen Insel Môn Mam Cymru im Norden als auch weiter im Süden Ansiedlungen gibt, muß ich mich entscheiden …«
    »In Aberffraw könntest du in der Hügelfestung der Tudurs unterkommen, und selbstverständlich würde ich dir eine Empfehlung an sie mitgeben«, murmelte Eolo. »Nur müßtest du dann noch einmal einen halben Monat allein auf dich gestellt durch die Wildnis wandern …«
    »Das wäre zu schaffen«, überlegte Branwyn. »Und wenn ich mir vorstelle, dort zu leben, wo es einst die berühmten Druidenschulen gab und bis heute die uralten Heiligtümer stehen … Sag, lehren auch in unseren Tagen noch Eingeweihte auf Môn Mam Cymru?«
    »Einige haben sich nach dem Abzug der Römer wieder in einem Hain zusammengefunden«, gab ihr der Barde Auskunft. »Doch von einer wirklichen Schule kann man wohl nicht sprechen.«
    »Und wie verhält es sich damit in den Orten südlich von hier?« wollte die junge Frau wissen.
    »Es handelt sich um bäuerliche Siedlungen«, antwortete Eolo. »Ihre Bewohner bewahren die alten Bräuche, so gut sie können, aber Druiden habe ich nie angetroffen, wenn ich dorthin kam …«
    Er schien über etwas nachzusinnen; geduldig wartete Branwyn, bis er fortfuhr: »Ganz Gwynedd wurde fürchterlich getroffen, als Môn Mam Cymru von den Römern verwüstet wurde; das Land hat sich nie wieder davon erholt. Anders freilich sieht es dort aus, wohin ich unterwegs bin. In Kernow existieren nach wie vor größere Druidenhaine, und noch bedeutender ist die Ynys Avallach, die nicht allzuweit von Tintagel entfernt liegt …«
    »Avalon! Du kennst dieses Eiland?!« stieß Branwyn hervor.
    »Ich besuchte es vor ein paar Jahren«, bestätigte der Barde. »Damals sah ich den Apfelgarten und die übrigen heiligen Stätten der Insel, die von neun Druidinnen gehütet werden. Außerdem gibt es eine christliche Gemeinde auf der Ynys Avallach, von der es heißt, sie sei die älteste Britanniens.«
    »So erzählte es auch Vater Jacwb«, erinnerte sich Branwyn. »Er sagte, die Druidinnen hätten schon kurz nach der Kreuzigung Jesu einer Gruppe von Getauften Zuflucht gewährt.«
    »Davon hörte ich ebenfalls«, bekräftigte Eolo. »Und die Christen von Avalon behaupten sogar, Jesus selbst habe als junger Mann auf der Insel geweilt. Ein Dornbaum, der zu jener Zeit gepflanzt wurde, legt, wenn man ihren Worten glauben will, bis heute Zeugnis davon ab.«
    »Wie gerne würde ich die Ynys Avallach aufsuchen«, flüsterte die junge Frau.
    »Und warum tust du es nicht?« fragte der Barde.
    Branwyn stutzte, dann verstand sie. »Du meinst … ich könnte dich auf deiner Wanderung begleiten und so nach Avalon kommen?«
    »Falls du dich dazu entschließen würdest, könntest du die Heiligtümer der Ynys Avallach in zweieinhalb, höchstens drei Monaten mit eigenen Augen sehen«, erwiderte Eolo Goch. »Es würde mir große Freude machen, sie dir zu zeigen, und später könnte ich dir behilflich sein, am Fürstenhof von Tintagel unterzukommen.«
    »Das alles klingt durchaus verlockend«, gab die junge Frau zu. Sie griff nach ein paar Holzstücken, schob sie ins halb niedergebrannte Feuer und beobachtete, wie die Flammen von neuem aufloderten. Eine Funkengarbe stob hoch und wurde vom Luftzug zum Höhleneingang

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