Die Bleiche Hand Des Schicksals
geschafft und wurde mitgenommen …« Sie verstummte. »Aber sollte das passiert sein, wäre er doch jetzt zu Hause, oder?«
»Das würde ich annehmen.«
»Hat die Spurensicherung etwas gefunden?«
»Sie finden immer etwas.«
»Sie sind ein sehr verschlossener Mann, Officer Durkee.«
»Danke, Ma’am.« Er lächelte sie an.
Sie sah sich um, dorthin, wo die unergründliche Finsternis der Adirondack-Wälder von ein paar Scheinwerfern und den wirbelnden bernsteinfarbenen Lichtern des Abschleppwagens beleuchtet wurde. Obwohl sie noch nicht einmal begonnen hatte, schien ihre Suche am Stausee plötzlich überflüssig, ein Exerzitium, das sie trösten und ihnen weismachen sollte, sie hätten Kontrolle über dieses riesige und schreckliche Biest, das sie von allen Seiten umgab.
»Russ glaubt nicht, dass Dr. Rouse lebend gefunden wird«, sagte sie. »Und Sie?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich glaube, es ist die Mühe wert. Was immer wir tun, um herauszufinden, was geschehen ist, um ihn zu finden, wird seiner Familie ein Trost sein. Das hat etwas für sich.«
»Das hat es.« Sie gestikulierte mit ihrem Stock. »Ich sollte lieber los.« Er hob die Hand zum Gruß, zog gleichzeitig die Skimaske wieder über sein Gesicht und wandte sich zur Straße, um der übrigen Suchmannschaft seine Neuigkeiten zu überbringen.
Clare watete in den Schnee. Sie wusste sofort, was Officer Durkee gemeint hatte. Eine gefrorene Schicht aus Schnee und Eis, gespickt mit Kiefernzapfen und abgebrochenen Zweigen, bedeckte den Boden. Sie war fest genug, um ihr Körpergewicht ein oder zwei Sekunden lang zu tragen, ehe sie einbrach, so dass jeder Schritt ihr Rückgrat stauchte. Wenn sie den Fuß wieder herauszog, drang der unter der Kruste verborgene Pulverschnee zwischen den Stiefel und den Saum ihrer gefütterten Skihose, so dass sie innerhalb weniger Minuten spürte, wie kalte Rinnsale ihre Socken durchtränkten.
Sie hatte angenommen, dass die klare kalte Luft die Geräusche von der Straße herübertragen würde, dass sie immer noch das Knirschen des Abschleppwagens und die Stimmen würde hören können, aber die hohen Kiefern schluckten jeden Laut hinter ihrer feinnadeligen Schranke. Auch das Licht schwand Stufe um Stufe, was sie überraschte, da dies ein ausgewachsener Wald war, ohne Schösslinge oder Büsche, durch die man sich schieben musste. Nur Kiefern, eine nach der anderen, bis sie, als sie sich umdrehte, kein Anzeichen der Zivilisation mehr erkennen konnte.
Sie pflügte voran, versuchte, ihre nassen Socken und die Stille zu ignorieren, versuchte, die aufkommende Panik zu ignorieren, die in ihrem Brustkorb flatterte, und sang dabei Cold and snow and the woods and you’re out here all alone, weil es einfach lächerlich war. Sie hatte eine Karte, eine Lampe, ein Funkgerät, und ungefähr zwanzig Polizisten und Feuerwehrmänner befanden sich im Umkreis einer halben Meile. Es war nichts als die Erinnerung an die Angst einer älteren und kälteren Begegnung mit den winterlichen Wäldern der Adirondacks. Sie blieb einen Moment stehen, stützte sich mit ihren in den Fäustlingen steckenden Händen an einem Stamm ab, ermahnte sich, dass sie noch nie in ihrem Leben eine Panikattacke erlitten hatte und auch jetzt nicht damit anfangen würde, und zog dann weiter hügelabwärts.
Mittlerweile konnte sie durch die Bäume den Stausee erkennen, weiß und schimmernd, und sie beeilte sich, aus dem Wald zu kommen. Dort angekommen, staunte sie. Oben auf der Straße hatten die Lichter den Rest der Welt in Dunkelheit getaucht und die Wirkung des Mondes abgeschwächt. Und unter den Kiefern erreichten weder Sonne noch Mond jemals den Boden. Aber hier – sie schaltete die Taschenlampe aus und blinzelte in der blendenden Helligkeit. Die gefrorene Wasseroberfläche war weder schwarz noch weiß, sondern glitzerte wie Glimmer, und der See war erstaunlich groß.
Als sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten, konnte sie mehr Einzelheiten erkennen und die grauen Flecken und Risse in der Oberfläche ausmachen, wo das Eis geschmolzen, gebrochen, sich neu geformt hatte und wieder gefroren war. Aber selbst mit Huggins’ Warnung im Hinterkopf war das Verlangen, auf diese blendende Fläche zu treten, sehr stark. Die Gospelschreiber hatten recht, wenn sie beschrieben, wie Jesus auf dem Wasser wandelte. Was konnte gottähnlicher sein, als in der Mitte eines Sees zu stehen, dessen Wasser sich nach allen Seiten erstreckte, während das Licht des Mondes die
Weitere Kostenlose Bücher