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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Harry. »Sie haben sein Verschwinden untersucht. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?«
    Harry legte sein Sandwich auf die Serviette. »Zu gar keinem. Der Fall ist nach wie vor offen. Alle paar Jahre schicke ich Jonathon Ketchems Beschreibung raus. Aber es kommt nie etwas zurück.«
    »Sie scherzen«, sagte Niels.
    »Ich wünschte, es wäre so.« Harry griff wieder nach seinem Sandwich. »Ich habe jeden befragt, der den Mann kannte. Ich habe Beschreibungen von ihm und seinem Auto im ganzen Staat herumgeschickt. Ich habe sogar die Polizei von Santa Barbara in Kalifornien veranlasst, mit Darlene Henderson zu reden, deren Vater auf Ketchems Farm arbeitete und die zu der Zeit, als Jonathon verschwand, die Stadt verließ. Nichts.« Er beäugte das Sandwich. Ihm war plötzlich der Appetit vergangen. »Ich habe sogar Jane Ketchem überprüft.«
    Niels’ Augenbrauen schossen an die Stelle, wo sich noch vor einem Jahrzehnt sein Haaransatz befunden hatte.
    »Sehen Sie mich nicht so an. Es ist auch früher schon vorgekommen, dass Frauen ihre Männer umgebracht haben. Allerdings rennen sie normalerweise nicht am nächsten Tag zur Polizei und bitten um Hilfe bei der Suche nach der Leiche.«
    »Und?« Kaum unterdrückte Neugier zitterte in Niels’ Stimme.
    »Und ihre Geschichte bestätigte sich. Der Nachbar von gegenüber brachte zu der Zeit, die sie angegeben hat, gerade seinen Müll heraus und hörte die beiden streiten. Kurz danach am selben Abend sprach die Dame von nebenan persönlich mit Mrs. Ketchem und sah dann, wie diese in ihr Haus zurückkehrte.« Er schaute nach oben, wo die knorrigen Äste der Ulmen Muster in den Himmel malten. Er konnte die flaumigen grauen Knospen auf den Zweigen gerade noch erkennen. Jetzt, wo der kalte Wind an seiner viel zu dünnen Jacke zerrte, war es nur schwer vorstellbar, dass sie schwellen und zu einem üppigen, zügellosen Grün aufplatzen würden. Für andere Leute waren Februar und März am schlimmsten, die Zeit, in der man den Winter so leid war, dass man am liebsten eine Axt nehmen und sich den Weg nach draußen freihacken wollte. Aber für ihn war dies hier die Durststrecke, diese kühlen, asketischen Tage zu Beginn des Frühlings, an denen es ihn verlangte, die heiße Sonne auf der Haut zu spüren und der Duft von frisch gemähtem Heu ihn vor Sehnsucht schwindeln ließ.
    »Und das war es dann?« Niels’ Frage brachte ihn wieder zu sich.
    »Wenn sie nur einen Grund gehabt hätte, seinen Tod zu wollen – wenn er eine Freundin gehabt hätte oder sie einen anderen Mann. Oder vielleicht eine dicke Lebensversicherung. Aber es gab nichts. Das war das Problem. Niemand hatte einen Grund, Jonathon Ketchems Tod zu wünschen.«
    »Was ist Ihrer Meinung nach passiert?«
    »Anhand sämtlicher Indizien – nicht, dass es viele gegeben hätte – habe ich zwei Theorien ausgeknobelt. Alle Personen, mit denen ich geredet habe, stimmen darin überein, dass Jonathon Ketchem ein paar schwere Jahre hinter sich hatte. Er hatte vier Kinder und seine Farm verloren, er war deprimiert und unentschlossen, er wusste nicht, was er mit sich anfangen sollte.« Er biss wieder ab und ließ Niels warten, während er kaute und schluckte. »Theorie Nummer eins: Er ist abgehauen. Er ließ alles hinter sich zurück, was ihm zugestoßen war, und fing irgendwo im Westen ein neues Leben an.« Er biss wieder ab. »Theorie Nummer zwei: Er beging Selbstmord. Allerdings hat diese Theorie einen Haken.« Er biss wieder ab, um Niels Zeit zu geben, diesen zu entdecken.
    »Wenn es Selbstmord war, wo ist dann sein Auto?«
    »Richtig. Vielleicht hat er das Auto mit steckendem Schlüssel am Straßenrand stehenlassen, damit es jemand klauen konnte, und ist so tief in die Berge gewandert, dass niemand über seine Leiche stolperte. Aber ich würde nicht darauf wetten.«
    Niels nickte. »Mein Sohn Norman sagt, dass die Kinder in der Schule eine Theorie haben. Das Mädchen der Ketchems ist in seiner Klasse, wissen Sie. Wie auch immer, er sagt, dass Ketchem von bösen Männern umgebracht wurde.«
    »Ja, das ist die vorherrschende Ketchem-Theorie. Außer seinen Eltern sind alle davon überzeugt, dass er von Schnapsschmugglern kaltgemacht wurde.« Er knüllte das Einwickelpapier des Sandwichs zusammen.
    »Wäre das nicht möglich? Nach dem, was ich in der Zeitung gelesen habe, gab es in jenen Tagen einige äußerst gefährliche Burschen. Richter DeWeese hat in den zwanziger Jahren achtjährige Haftstrafen und Geldstrafen in Höhe von

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