Die Blendende Klinge
Magistra glätteten sich wieder, und sie ging ruhig auf den Ausgang zu, wobei sie Teia winkte, sich ihr anzuschließen. Als sie draußen in dem riesigen, hellen unterirdischen Hohlraum unter der Chromeria waren, bog sie um die Ecke des Gebäudes, wo sie nicht gesehen werden konnten. Als Teia zu ihr trat, bemerkte sie, dass die Frau vor Wut kochte.
»Ich weiß nicht, was du zu sehen geglaubt hast«, sagte Magistra Martens, »aber du darfst nie wieder darüber sprechen. Verstehst du?«
»Ich … ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber – nein«, sagte Teia.
»Du brauchst es nicht zu verstehen, du brauchst nur still zu sein. Vor allem, wenn es um solche Dinge geht.«
»Nein!«, protestierte Teia. »Ihr seid meine Lehrerin. Unterrichtet mich. Ich muss alles wissen, wenn ich eine Schwarzgardistin werden will. Ihr dürft mir nichts vorenthalten.«
»Doch, das kann und werde ich. Du bist meine Scholarin; du wirst mir gehorchen.«
»Dann werde ich mit meinen Fragen zu Hauptmann Eisenfaust gehen.«
Die Frau wurde grau im Gesicht. »Ich möchte, dass du sehr gründlich darüber nachdenkst, was du da in Betracht ziehst, junge Dame.«
»Ich werde zu jemandem gehen, dem ich vertraue, jemandem, der für mich Verantwortung übernommen hat, und ich werde ihm eine einfache Frage stellen, das ist alles«, entgegnete Teia, die zunehmend wütend wurde.
»Erzähl mir, was du gesehen zu haben glaubst. Aber leise.«
Also tat Teia wie geheißen.
Magistra Martens schüttelte den Kopf, noch bevor Teia zum Ende kam. »Nein. Nein. Ich habe Tausende von Malen versucht, Paryl solide zu machen. Aber so funktioniert es nicht.«
»Aber was, wenn es irgendwie doch funktioniert?«, fragte Teia.
»Ja, genau«, sagte Martha Martens.
Teia hob die Hände, nun eher verwirrt als wütend. Vielleicht machte einen das Paryl-Wandeln wirklich verrückt.
Magistra Martens blickte sich abermals um, obwohl niemand da war, der sie belauschen konnte. »Denk darüber nach, was du da nahelegst: Eine Farbe, die für fast alle unsichtbar ist, selbst für alle Wandler – eine Farbe, die töten könnte, ohne eine Spur zu hinterlassen, so dass der Mord wie ein natürlicher Tod aussieht. Bitte streng dein winziges bisschen Hirn an, um dir zu überlegen, wie die Leute auf eine solche Magie reagieren würden.«
Teia fuhr sich beklommen mit der Zunge über die Lippen. Sie würden genauso reagieren, wie sie selbst reagiert hatte: mit panischer Angst.
»Wann immer jemand auf rätselhafte Weise stürbe, würde es die Schuld eines Paryl-Wandlers sein. Jedes Mal, wenn ein fettleibiger Adliger mit einem zerstörten Herz umfiele, würden die Leute flüstern, dass es das Werk seiner Feinde sei – und jeder Adlige hat Feinde, und die meisten von ihnen sind fett. Überlege dir zuerst, was es mit einem Volk anrichten würde, wenn jeder Tod womöglich ein Meuchelmord gewesen sein könnte. Und dann führe dir vor Augen, was es unter Paryl-Wandlern anrichten könnte. Als das Amt für Ordnung seinerzeit Luxoren aussandte, um die Paryl-Wandler auszurotten, wurde ihnen diese Befugnis nicht allein oder in erster Linie erteilt, weil das Spektrum uns für Ketzer hielt.«
Das Amt hatte einst Luxoren auf Paryl-Wandler angesetzt? »Also funktioniert es. Ihr gebt es selbst zu«, erwiderte Teia, obwohl ihre Kehle wie zugeschnürt war.
»Ich gebe gar nichts zu. Ich habe nie solides Paryl gesehen, und ich kann es nicht wandeln. Ich glaube auch nicht, dass es geht. Es gab einige von uns, vor Jahrhunderten, die für den Orden des Gebrochenen Auges gearbeitet haben. Meuchelmörder. Ich denke, sie haben wahrscheinlich mit Gift getötet, aber indem sie behaupteten, dass sie unsichtbar und ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen töten könnten, bekamen sie viel mehr Mordaufträge. Aber dann, als tatsächlich Menschen starben, geriet die Sache außer Kontrolle. Das ist der Grund, warum es keine Paryl-Wandler mehr gibt, du närrisches Ding. Nicht weil es nicht funktionieren würde, sondern weil alle befürchten, es könnte besser funktionieren, als es tatsächlich der Fall ist. Das ist der Grund, warum wir immer noch gefährlich nahe dran sind, als Ketzer gebrandmarkt zu werden, warum Hinweise auf uns aus den Bibliotheken entfernt worden sind und warum die gegenwärtige Weiße so hart kämpfen musste, um das Amt für Ordnung im Zaum zu halten. Sie glaubt, alles Licht sei Orholams Gabe, aber es gab zu allen Zeiten abergläubische Menschen. Sie nennen es Dunkellicht, Oralam –
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