Die Blendende Klinge
Ausbilder Fisk untersuchte ihn rasch, um zu sehen, wie schlimm seine Verletzungen waren, dann richtete er sich auf.
»Aram gewinnt. Die ersten vierzehn stehen fest. Von jetzt an kämpfen wir zur Feststellung der Reihenfolge. Aber Aram, du hast die Kontrolle über dich verloren. Du warst verdammt nahe daran, ausgeschlossen zu werden. Du bist für den Rest des Tages gesperrt.«
»Nein!«, schrie Kip.
Ausbilder Fisk sah ihn an und schaute dann weg, als erfülle ihn Kips Anblick mit Scham.
Kip weinte. Nicht vor Schmerz, obwohl er jetzt nur noch aus Schmerz zu bestehen schien. Er war so nahe dran gewesen. Er hätte Aram vernichten können, wenn sie ihn nur den Kampf hätten beenden lassen. Er hatte beinahe …
Beinahe. Er war Kip Beinahe. Kip, der Versager. Beinahe gut genug. Er blutete und weinte und rotzte sich überall voll.
Er blickte auf und erwartete, Gavin gehen zu sehen. Kip war eine peinliche Schande. Ein flennendes kleines Mädchen, wo Gavin einen Sohn brauchte, der nach seinem Ebenbild geschaffen war. Kip war in nichts mit seinem Vater zu vergleichen. Wie konnte nur der Apfel so weit vom Stamm fallen? Doch stattdessen erwiderte Gavin seinen Blick und bedeutete ihm, zu ihm herüberzukommen.
Kip stand auf und ging auf die hölzerne Zuschauertribüne zu, wo sein Vater unter all den Auszubildenden saß. Er sah beschämt zu Boden. Schämte sich der Tränen, die über sein Gesicht liefen und die er unmöglich stoppen, unmöglich verstecken konnte.
Irgendwer begann zu klatschen. Dann griffen andere das auf, und alle klatschten. Kip drehte sich um, um zu sehen, ob etwa Aram triumphierend seine Muskeln reckte. Dem war nicht so. Die Klatschenden blickten alle ihn selbst an. Ihn?
Kip rieb sich die Stirn, bemüht, nicht die Fassung zu verlieren. Wegen ihm? Sie klatschen für ihn ?
Ach, Quatsch. Er weinte nur noch heftiger. Er hatte ein Mitglied der Schwarzen Garde werden wollen. Die Schwarzgardisten waren die Einzigen, die er schätzte und respektierte. Die einzigen Menschen auf der Welt, die so waren, wie er sein wollte. Und er hatte bei ihnen versagt, und das bekam er jetzt von ihnen.
Er nahm ein Handtuch, scheinbar um sich das Blut abzuwischen, und bedeckte seinen Kopf damit. Jemand legte seinen Arm um ihn, und Kip sah seinen Vater.
»Vater«, sagte Kip. »Ich … wenn sie nicht die Pfeife geblasen hätten … Ich hätte beinahe …«
»Der Junge ist in Panik geraten, Kip. Der letzte Griff, zu dem er gerade ansetzte, war ein Halsbrecher. Und ich glaube, er hätte es geschafft. Wenn Fisk nicht gepfiffen hätte, wärst du jetzt tot.«
Aram hatte ihn im Griff gehabt. Kip hatte gespürt, wie sich Arams Arme um ihn schlossen. Hätte Aram ihn umgebracht, wäre Aram haushoch aus der Schwarzen Garde geflogen. Nicht, dass das Kip dann noch viel genutzt hätte.
»Ich bin durchgefallen«, sagte Kip, der noch immer nicht recht wagte, unter dem Handtuch hervorzuschauen.
»Ja«, erwiderte Gavin. »Er ist besser als du. So was passiert. Gute Aktion mit dem Kristall da oben. Hätte beinahe geklappt. Jetzt komm, lass uns den anderen zusehen. Es ist gut, von denen zu lernen, die besser sind als man selbst. Sieht so aus, als sei deine Nase gebrochen. Wir sollten sie rasch wieder richten.«
Kip griff behutsam an seine Nase. Nein, das war nicht die richtige Form für eine Nase. »Ist das die Sache, bei der es so ein merkwürdiges Geräusch gibt und ich dann schreien muss?«
»Versuch einfach, das Schreien zu vermeiden«, sagte Gavin. Ohne sich um Kips schweißnasses Haar zu kümmern, griff er von hinten um Kips Kopf herum, hielt ihn fest, packte seine Nase und zog daran.
Kip hielt die Luft an, keuchte, atmete durch. Orholam, erbarme dich!
Aber er schrie nicht.
Ein Wundarzt – ein Grünwandler – brachte mit Ultraviolett getränkte Binden und versorgte Kips Schnittwunden, während sie sich die übrigen Kämpfe ansahen. Mit winzigen Nadeln und Fäden aus grünem Luxin nähte der Mann Kips rechte Wange und seine linke Augenbraue, dann schmierte er brennende Salben auf diese und einige weitere Verletzungen.
Anschließend verabreichte er Kip eine Dosis Mohntee, die Kip viel zu klein erschien. Kip war froh, sitzen zu können, denn er glaubte nicht, dass seine Beine ihn tragen würden, wenn er stehen müsste.
Alles in allem lernte Kip durch das Anschauen der Kämpfe so gut wie gar nichts, weil er zum Lernen nicht die nötige Aufmerksamkeit aufbringen konnte. Es war jedoch eine gute Ablenkung. Teia schlug einen
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