Die Blueten der Freiheit
Person, die einem das Leben gerettet hatte? Sehr viel. Einiges, um ehrlich zu sein. »Also … wenn Ihr Spitze schmuggeln würdet, dann bloß, weil Euch jemand darum gebeten hat, der Euch das Leben gerettet hat.«
»Oui.«
»Aber wenn dieser Mann Euch das Leben gerettet hat und Euch so sehr schätzt, um Euch zu retten, warum sollte er Euch dann so schlecht behandeln?« Ich verstand es nicht.
»So schlecht behandeln?«
»Er schätzt Euch wohl nicht allzu sehr, wenn er von Euch verlangt, etwas so Schlimmes zu tun.«
»Etwas so Schlimmes?«
»Er bittet Euch, die Gesetze des Königs zu missachten.«
» Non. Nicht wirklich. Der Mann bittet mich um einen Gefallen, weil er mir einen Gefallen getan hat. Nun bin ich es, der ihn retten kann.«
»Indem Ihr Euch dem König widersetzt?« Das ergab absolut keinen Sinn. »Wie?«
»Was meint Ihr?«
»Wie soll Euch das Schmuggeln von Spitze dazu verhelfen?«
»Was ist, wenn er jemand anderem einen Gefallen schuldet?«
»Einen Gefallen.« In diesem Gespräch ging es bereits um zu viele Personen. Ich hatte doch nur wissen wollen, was ihn dazu bringen würde, Spitze zu schmuggeln. Nicht ihn und … noch zwei andere Menschen. Es ging nun bereits um drei von ihnen.
» Oui. Einen Gefallen. Und was wäre, wenn dieser Gefallen eine andere Person davon abhalten würde, etwas zu tun, das den Mann in den Ruin treiben würde?«
»Welchen Mann?«
»Den Mann, der mich gerettet hat.«
»Ein Stück Spitze? Das könnte einen Mann vor dem Ruin bewahren?«
»Das wäre möglich.«
Ein Stück Spitze. Ein Stück Spitze, das über die Grenze geschmuggelt wurde. Ein Stück Spitze, das so immateriell war, dass das Licht durch die Löcher zwischen den Fäden hindurchschien. »Und warum solltet Ihr Eure Ehre einem Mann in die Hände legen, der ein Schmuggler ist?«
»Einem Mann, der ein Schmuggler ist? Sollte das nicht ich sein?«
»Solltet Ihr?«
»Das war doch Eure Frage. Warum ich es tun würde.«
»Ah. Oui. « So war das gewesen. Ich hatte ihn gefragt. Aber ich hatte seine Antwort noch immer nicht verstanden. »Ihr würdet also Spitze schmuggeln, um die Ehre eines anderen Mannes zu verteidigen.«
»Das würde ich.«
»Aber was ist mit Eurer eigenen Ehre?«
»Was soll damit sein?«
»Ihr würdet Eure eigene Ehre aufs Spiel setzen, um die Ehre eines anderen Mannes zu retten?«
Er runzelte die Stirn. »Ich glaube … Habe ich das so gesagt?«
»Habt Ihr nicht?« Hatte er das nicht gerade gesagt? Ich glaubte schon. Und deshalb ergab es keinen Sinn. Aber vielleicht verstand er es selbst nicht. Wie er schon gesagt hatte: Ich war derjenige, der die Frage gestellt hatte. Ich hatte ihn gefragt, was einen Menschen dazu bringen konnte, Spitze zu schmuggeln. Er schmuggelte ja keine Spitze, also woher sollte er es wissen?
Als die Sonne unterging, beschleunigte ich meinen Schritt. Es war nicht gut, so weit entfernt vom nächsten Dorf von der Dunkelheit überrascht zu werden.
Der Mann mit dem Sarg schien keine Eile zu verspüren.
»Das Dorf Orchies liegt vor uns. Und es ist nicht mehr weit. Wenn wir uns beeilen, kommen wir vor Einbruch der Dunkelheit dort an.«
»Ihr könnt Euch beeilen. Ich werde nirgendwo anders schlafen als neben dem Sarg.«
» Bien sûr. Mit dem Sarg ins Dorf. Einer der Wirtsleute wird Euch schon in seinem Stall schlafen lassen.« Aber warum sollte er das wollen? Es war ja nicht so, dass irgendjemand einen Toten stehlen würde.
» Non. Ich möchte nicht in ein Dorf. Ich werde einfach bloß am Straßenrand haltmachen. Oder sogar weitergehen.«
»Am Straßenrand? Aber das ist gefährlich. Trügerisch! In den Wäldern lauern Gauner.«
»Und Ihr glaubt, dass sie einen Mann belästigen, der neben einem Sarg schläft?«
Natürlich würden sie das tun. Dann fiel mir ein, dass ihn der Schmerz sehr mitgenommen hatte … Vielleicht hatte er seinen Verstand beeinträchtigt. »Nein, wirklich. Wir sollten uns beeilen. Ich muss darauf bestehen.«
Alexandre deutete auf das Tier, das den Karren zog. »Dieser alte Ochse kann nicht schneller gehen.«
Ich warf einen Blick auf das Tier. Der Ochse rollte die Augen nach hinten und betrachtete mich ebenfalls. Non. Er würde vermutlich wirklich nicht schneller gehen können. Nicht einmal, wenn er wollte. »Dann …« Ich umklammerte meine Flinte fester, während ich die Bäume um uns herum in Augenschein nahm. »… dann bleibe ich bei Euch.«
»Wie bitte? Non! Ich meine, warum solltet Ihr unter dem hohen Alter dieses Tieres
Weitere Kostenlose Bücher