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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Anthony
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mich sah, schickte er meinen Diener aus dem Zimmer. Dann ging er zum Tisch hinüber und schenkte sich ein Glas Branntwein ein. Ich ließ mich in einen Stuhl fallen und starrte ins Feuer. Feuer und Verdammnis. So sollte wohl die Hölle sein. Doch was mich betraf, wäre sogar das besser als der Schmerz, den es mir verursachte, am Leben zu sein.
    Remy reichte mir das Glas. Er warb so sanft um mich und war ein angenehmer und warmherziger Gefährte. Er verdiente mehr Aufmerksamkeit, als ich ihm geben konnte, und ich hatte immer häufiger das Gefühl, dass er sie sich woanders suchte. Er trat hinter mich und legte eine Hand auf meinen Nacken. Dort hielt er einen Moment lang inne, bevor er die Hand nach vorne und in den Ausschnitt meines Hemdes gleiten ließ.
    Ich legte meine Hand auf seine und bremste ihn. »Ich denke … Ich möchte … lieber nicht.«
    »Du möchtest lieber nicht …«
    Im letzten Jahr hatte ich ihn so oft abgewiesen, dass ich gar nicht darüber nachdenken wollte.
    Er nahm die Hand von meiner Brust und ließ sie stattdessen durch meine Locken gleiten. Dabei summte er ein Kinderlied.
    Sag mir ja, sag mir nein,
    Sag mir, kann es Liebe sein,
    Sag mir ja, sag mir nein,
    Sag mir, bin ich wirklich dein?
    Ist es Liebe, gibt es Hoffnung,
    Ist sie es nicht, ist es bloß noch Leid.
    Sag mir ja, sag mir nein,
    Sag mir, kann es Liebe sein,
    Sag mir ja, sag mir nein,
    Sag mir, bin ich wirklich dein?
    Er massierte meine Kopfhaut mit seinen Fingern, während er die letzten Zeilen sang.
    Ich schob seine Hand fort und legte sie auf meine Schulter, während ich nun selbst zu singen begann.
    Ach Mama, ich sage dir,
    Welche Last nun brennt in mir.
    Vater will, dass ich vernünftig bin,
    Wie die Erwachsenen es nun mal sind.
    Als meine Stimme immer schwächer wurde, beendete Remy das Lied für mich.
    Doch ich, der deine, meine:
    Süßes währet länger als Vernunft …
    Süßes währet länger als Vernunft … Wäre es doch nur so gewesen. Er ließ meine Hand los. »Du möchtest also lieber nicht.«
    Was spielte es für eine Rolle, ob ich wollte oder nicht? Ich hätte ohnehin nichts zustande gebracht, selbst wenn ich gewollt hätte. Man hatte mir stets bloß beigebracht, mich für mich selbst zu schämen. Wenn ich jemals Leben dort unten verspürt hatte, dann war es schon vor langer Zeit ausgelöscht worden, und nichts konnte es mehr wiedererwecken. Das, was einmal meinen innersten Kern ausgemacht hatte, wollte mir nicht mehr gehorchen.
    »Dann macht es dir doch sicher nichts aus, wenn ich eine Zeitlang nach draußen gehe?«
    Warum sollte es? Ich konnte ihn nicht in meinen Gemächern einsperren, wenn ich ihm nichts mehr zu bieten hatte. Ich bedeutete ihm zu gehen.
    Er verneigte sich und verschwand, wobei er immer noch die Melodie summte: Sag mir ja, sag mir nein. Sag mir, kann es Liebe sein … Er schien nicht so verärgert zu sein, wie ich es an seiner Stelle gewesen wäre.
    Als er fort war, warf ich mein Glas ins Feuer. Ich verspürte eine düstere Genugtuung, als es zersprang und die Flammen einen Moment lang blau aufloderten.
    Ich stemmte mich aus dem Stuhl hoch, nahm meinen Spiegel in die Hand und betrachtete das Gesicht, das mir entgegenstarrte. Die nachdrücklichen Augen standen genau im richtigen Abstand voneinander, und über ihnen prangten wohlgeformte Augenbrauen. Die Nase ragte gerade genug vor, um einen adeligen Eindruck zu erwecken. Die Lippen waren so prall und reizvoll, dass sie einst mit Pflaumen verglichen worden waren. Und das Kinn war bloß ein wenig zugespitzt. Der Kopf war voller schwarzer, dicker und glänzender Locken, die bis auf die Schultern herabfielen und aussahen wie ein Vorhang aus feinstem Brokat. Es war ein so feines und wohlproportioniertes Gesicht, dass allen immer bloß ein Wort eingefallen war, um es zu beschreiben: wunderschön.
    Warum wollte mich dann niemand?
    Ich drehte mich fluchend um und warf den Spiegel ins Feuer.
    Mein Spiegelbild lachte mich aus, während die Flammen es umspielten. Dann begann es zu zittern und schmolz schließlich, während es im Feuer unterging.

    Remy hatte mich verlassen. Jedenfalls versuchte er es zumindest. Ich fand ihn im Stall bei einem der Stallburschen.
    »Julien!« Er ließ ruckartig den Arm des Jungen los.
    »Es sieht so aus, als hätte ich dich erschreckt. Ich bitte um Entschuldigung.« War es denn meine Schuld, dass ich ihn nicht länger zufriedenstellen konnte? War es denn meine Schuld, dass ich nicht mehr das tun konnte, was er wollte? Die

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