Die Blütenfrau
antrinken.
«Nein, bei Alli und ihrem Vater ist es anders. Sie hasst ihn wirklich. Abgrundtief.»
«Aber warum?»
«Weil er sie wie eine Gefangene hält. Alles verbietet er ihr.»
«Aber warum tut er das?»
«Keine Ahnung. Er sagt immer, alles ist zu gefährlich, und sie ist noch zu klein und so weiter. Das macht Alli wahnsinnig, echt. Sie will zu ihrer Mutter nach Oldenburg ziehen, sobald sie vierzehn ist. Dann kann sie nämlich vor Gericht selbst bestimmen, bei wem sie leben will. Im August hat sie Geburtstag.»
«Und weiß Allis Vater das?»
«Sie will … Also, sie wollte es ihm gestern Abend sagen.»
5.
Impatiens
(Drüsentragendes Springkraut)
Botanischer Name: IMPATIENS GLANDULIFERA
Die Blüte gegen Ungeduld, Nervosität und Reizbarkeit
Unverschämt, fand Kerstin Spangemann. Wencke Tydmers war nur kurz am Tatort erschienen, und kaum war die Spurensicherung eingetroffen, hatte sie sich verdrückt.
Kerstin hatte sich Mühe gegeben, nicht allzu offensichtlich hinterherzustieren. Eigentlich war sie auch froh, dass Wencke so schnell von der Bildfläche verschwunden war, denn neben dieser Frau fühlte sie sich immer wie eine Figur der Augsburger Puppenkiste: mit Armen aus Streichhölzern und dem Gang einer betäubten Giraffe. Eigentlich wusste Kerstin, dass sie eine durchaus attraktive Frau war, nur neben Wencke kam sie sich linkisch und schlaksig vor. Dabei gab es dafür wirklich keine plausible Erklärung. Wencke Tydmers war ausgesprochen klein und nicht unbedingt mit einer sportlichen Figur gesegnet. Zudem wäre es mal an der Zeit, über eine neue Frisur nachzudenken. Wer trug in ihrem Alter noch grellrotes, kurzes Haar? Und erst ihre Klamotten! So oft hatte Axel schon betont, wie sehr er diese abgewetzte Jeansjacke hasste, mit der seine Kollegin und ehemalige Mitbewohnerin herumlief.
Vielleicht war es gerade das, was Kerstin so störte und weswegen sie dieses unschöne Gefühl hatte, wenn sie sich mit Wencke verglich: Axel betonte ständig nur die negativen Seiten dieser Frau. Dabei mochte er sie, daran bestand für Kerstin kein Zweifel. Hätte Wencke ihm damals nur ein wenig mehr Hoffnungen gemacht, Axel hätte wahrscheinlichnie auf die Avancen einer Angestellten der Spurensicherung reagiert, auch wenn diese noch so groß und schlank und gepflegt daherkam.
Mit Wencke waren auch all die anderen Kollegen des ersten Fachkommissariats vom Fundort verschwunden. Alle hatten offensichtlich Besseres zu tun. Nur Kerstins Team von der Spurensicherung hielt die Stellung, und Axel war zum Protokollieren des Fundorts abkommandiert worden. Er stand in ihrer Nähe im Schatten eines süßlich riechenden Baumes und wehrte sich gegen die Stechmücken, die sich bei stehenden Gewässern immer so wunderbar vermehrten. Er hatte schlechte Laune, das war nicht zu übersehen. Sicher hätte er lieber einen anderen Job übernommen, als ihr hier bei der Arbeit zuzusehen. Er wäre vermutlich lieber mit Wencke unterwegs gewesen.
Der Bereich des Schwanenteichs war großzügig abgesperrt worden. Er lag in einem kleinen Park inmitten eines Wohngebietes, da war die Aktion nicht so aufwändig gewesen. Nur weiter hinten an der Straße standen ein paar Herrschaften und reckten die Hälse. Die Presse war natürlich dreist durch das Tor marschiert und hatte gefragt, ob man schon etwas gefunden hätte. «Wenn Sie hier weiter so durch unsere Arbeit trampeln, wird es noch ein paar Stunden länger dauern, bis wir eine offizielle Mitteilung rausgeben», hatte Axel geblafft. Normalerweise ging er freundlich mit den Medien um. Aber heute war nicht normalerweise.
Zugegeben, Kerstin und Axel hatten nicht erwartet, dass Wencke sie zu ihrer bevorstehenden Hochzeit beglückwünschte. Aber mit dieser völlig übertriebenen Reaktion war auch nicht zu rechnen gewesen: Wencke hatte beide schon während der kurzen Dienstbesprechung ignoriert, hatte Axel den miesesten Job im ganzen Fall – staubtrockene Schreiberei am Tatort – zugeschoben, und auf seine Anfrage,ob das denn nicht gleich in einem Abwasch mit der Spurensicherung geschehen könne, hatte sie schnippisch geäußert: «Beschwer dich nicht. Auf diese Weise kannst du doch bei der Arbeit ein bisschen mit deiner Verlobten turteln.» Das war absolut daneben, fast pietätlos. Immerhin hatten sie es hier mit einem der schlimmsten Fälle überhaupt zu tun, mit dem Mord an einem Kind, und sie stellte ihre persönliche Kränkung vorne an!
Was war los mit Wencke? Und warum beschäftigte
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