Die Blume der Diener
Die Stärke einer gewöhnlichen Armee kann ich begreifen, aber Zauberei verwirrt mich.« Der König schlug Williams Turm. »Nein. Ich warte, bis Lissaudes zahmer Zauberer eintrifft, und greife die Zauberin erst an, wenn ich mir meines Sieges sicher bin.« Plötzlich gab er dem Tisch einen Stoß. Die Schachfiguren tanzten auf dem Brett. »Bei den blutigen Wunden Jesu, Will, das gefällt mir ganz und gar nicht!«
»Das ist nur allzu verständlich, Majestät«, gab William gelassen zurück. Es entstand eine Pause. Die Holzscheite knisterten und zischten im Kamin und die beiden Männer starrten geistesabwesend auf das Brett zwischen ihnen. William nahm eine Nascherei von einem Tablett, biss hinein, spuckte aus und lachte.
»Nun hat Master Hardy Zucker und Zimt bei den Feigen vergessen«, erklärte er auf Lionels fragenden Blick. »Beim letzten Mal waren es nur die Gewürznelken gewesen. Sir Cupido ist ein rechter Halunke; er hetzt Küche und Wäscherei gegeneinander auf. Habt Ihr bemerkt, Sire, dass euer Leinen in letzter Zeit mehr nach Salbei und Zitrone als nach Lavendel riecht?«
Lionel war über diese Ablenkung froh. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete das Spiel des Feuerscheins auf Williams hellem Haar. Der frühere Unterkoch hatte den König oft mit Epen und Romanzen aus der Küche erfreut. Inzwischen kannte er die Namen und Eigenschaften aller Böcke, Hammel und Lämmer der Haushaltsherde. »Und wer ist die grausame Schöne? Die rosige Bess? Die hübsche Joan?«
»Die Dame ist weder so schön wie Bess noch so jung wie Joan und auch nicht grausam. Nicht sie, sondern Master Hardy ist der Bösewicht.« William hielt inne. Sein Gesicht leuchtete vor jungenhafter Heiterkeit. »Nein, Master Hardy ist in Mistress Rudyards Fänge geraten.«
»Mistress Rudyard?«, fragte Lionel ungläubig. »Die königliche Oberwäscherin? Dieses große, schwermütige Muttertier, das dich einen Hexer genannt hat?«
William nickte. »Sie ist inzwischen nicht mehr so schwermütig, mein Gebieter, und die schmale Kost hat ihr viel von ihrem Fett genommen. Ihre Liebe kam auf die folgende Weis zustande: Sie und Master Hardy haben Eurer Majestät Haushaltsräume während der letzten zehn Jahre ohne jeden Zwischenfall miteinander geteilt und sich wie Planeten auf unterschiedlichen Bahnen bewegt.« William nahm einen Pokal als Symbol für Mistress Rudyard und eine Nuss für Master Hardy und ließ sie umeinander kreisen. »Die Pest zwang sie, zusammenzuarbeiten und ihren Einfluss gemeinsam auszuüben.« Er brachte Pokal und Nuss zusammen. »Als sie miteinander arbeiteten, sahen sie sich an; als sie sich ansahen, lächelten sie; als sie lächelten, erröteten sie und so ging es weiter bis hin zu Küssen und Herzen und Liebesbeteuerungen. Er nennt sie Molly und sie ihn Honigkuchen und kleines Schweinsauge.«
Der König brach in Gelächter aus. »Kleines Schweinsauge?«
»Jawohl. Sie umarmen und küssen sich hinter der Speisekammertür.« William legte die Nuss in den Pokal und stellte ihn ab. »Ich bezweifle nicht, dass Ned im Lauf des Jahres ein kleines Brüderchen oder Schwesterchen bekommen wird – und vielleicht auch einen Vater.«
Bei dem Gedanken daran, wie der jähzornige Master Hardy einen Säugling auf den Knien wiegte und einen namenlosen Dienerjungen als Stiefsohn annahm, brüllte der König vor Lachen, bis er rot anlief und nach Luft schnappte. Er keuchte, hustete und ergriff seinen leeren Becher. William füllte ihn über das Schachbrett hinweg.
Lionel schaute in das hübsche Gesicht, das sich nun so nahe vor seinem eigenen befand. Plötzlich wurde der König von dem Verlangen ergriffen, die Finger in Williams hellen Nackenlocken zu vergraben und ihn auf den wohlgeformten Mund zu küssen. Das Blut sang heiß in Lionels Lenden und das Herz pochte ihm in der Brust. Langsam streckte er die Hand über das Schachbrett aus.
Ein Holzscheit knackte im Kamin. Lionel zuckte zusammen, zog die Hand zurück und hielt sie über seinen Pokal. Er schwitzte wie im Fieber und zitterte vor Verlangen. »Ich habe genug vom Wein und auch vom Schach, Master Flower«, brummte er rau. »Ich bin etwas verwirrt und sollte zu Bett gehen.« William setzte den Bocksbeutel ab und sammelte die Schachfiguren ein.
»Lass das«, schnauzte der König ihn an. William runzelte die Stirn. »Ich bin müde und verärgert, Will«, fügte Lionel sanfter hinzu, »und mich verlangt es nach Einsamkeit.« William verneigte sich tief vor seinem
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