Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Rückweg drückte sich Valentine ganz fest an ihre Mutter. Sie klammerte sich an sie, als wollte sie sie nie wieder loslassen. Byzance kannte den Weg. Oft genug war er hier erst mit Théo und später allein unterwegs gewesen, bis Alix ihn eines Tages an der Loire wiedergefunden hatte. Er hatte alle Loire-Schlösser gesehen und wusste sich hervorragend zu orientieren. Das Pferd kannte sich in der Gegend tatsächlich besser aus als seine einheimischen Kollegen Hector und Césarine.
Erschöpft von den Aufregungen war Valentine endlich eingeschlafen, und Alix spürte ihren gleichmäßigen, ruhigen Atem.
Alle schwiegen, und die Pferde trotteten gemächlich vor sich hin. Alix fielen die Augen zu, aber Byzance ging weiter, und seine Hufe klapperten auf dem Weg. Auch wenn sie tief und fest geschlafen hätte, hätte das Pferd sie mit ihrem Kind sicher nach Hause gebracht. Doch sie fing sich wieder, öffnete die Augen und begegnete Baptistes Blick.
»Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie unendlich dankbar ich Euch bin«, sagte sie und schien mit dieser verspäteten Danksagung auch noch die letzten Ängste abzuschütteln.
»Ihr habt das Ende dieses Dramas miterlebt, und ich weiß
nicht, was ich ohne Euch gemacht hätte – ich will es gar nicht wissen. Jedenfalls schwöre ich bei allen Heiligen, dass Ihr nicht nach Paris gehen und dort Arbeit suchen müsst. Ihr könnt bei mir arbeiten.«
»Wen von uns wollt Ihr denn einstellen?«, fragte Francesca schüchtern.
»Es gibt genug zu tun für drei, und …«
Überrascht hielt sie inne – sie musste plötzlich würgen, und auf einmal war ihr schrecklich übel und schwindlig. Schnell sprang sie vom Pferd. Hatte sie die schreckliche Geschichte trotz ihres glücklichen Ausgangs doch bis ins Innerste aufgewühlt?
»Was ist los? Geht es Euch nicht gut?«, fragte Pierrot besorgt.
Valentine war aufgewacht und hätte beinahe wieder geweint. Als sie sah, dass ihre Mutter in der Nähe war, fragte sie nur leise: »Mama, wo ist Nicolas?«
Alix wollte zu ihr laufen, doch da überfiel sie schon der nächste Brechreiz. Sie musste sich übergeben. Und sie erinnerte sich plötzlich, dass ihr schon am Morgen zuvor sehr übel gewesen war, was sie allerdings nicht weiter beachtet hatte.
Da musste sie lächeln. Die Übelkeit hatte nichts zu tun mit der Tragödie, die sich gerade abgespielt hatte. Sie verkündete neues Leben, Hoffnung und Liebe, und Alix bekam auf einmal große Lust, Mathias zu sehen, um ihm von dem freudigen Ereignis zu berichten.
26.
Und es kam, wie es Louise nach Robert La Marcks »Geschichte von der weißen Stute« geahnt hatte.
Kaum war sie in Amboise eingetroffen, wo sie den Rest des Jahres verbringen wollte, als ein Bote mit der Nachricht zu ihr eilte, der König sei schwer krank, und seine Tage seien gezählt, woraufhin sie sofort nach Blois aufbrechen musste.
Von nicht enden wollenden Hustenanfällen geplagt wurde Ludwig XII. immer schwächer, und seine Ärzte schüttelten nur noch hilflos den Kopf, weil sie nicht mehr wussten, wie sie dem König helfen sollten.
In einer Ecke seines Schlafzimmers hatten sich die alten Kampfgefährten versammelt, die ihn auf seinen italienischen Feldzügen begleitet und diese überlebt hatten – Longueville, La Trémoille, Genouillac und de Parvy harrten in schweigender Anteilnahme bei ihm aus und dachten still an vergangene, kühne Zeiten.
Die Comtesse d’Angoulême lief vor seinem Zimmer auf und ab, und nur ihre Hand, die immer wieder eine Locke unter die Haube schob, verriet ihre Nervosität.
Seit ein paar Tagen schon delirierte der König. Er sprach von Jeanne, seiner ersten Frau, und bat Gott um Verzeihung, dass er
sie so gemein verstoßen hatte. Und er dankte dem Himmel sogar, dass er ihm zur Strafe keinen Sohn geschenkt hatte. Irgendwann redete er nur noch wirres Zeug, aber die Namen Jeanne und Anne kamen immer wieder über seine ausgetrockneten Lippen, die zur Linderung mit einem feuchten Tuch betupft wurden.
Die Priester an seinem Bett hatten dem Sterbenden ein Kruzifix in die Hände gelegt, die er trotz seiner steifen Finger noch hatte falten können.
Ein letztes Mal flackerten seine Lebenskräfte auf, und er verlangte, dass sein Leichnam an der Seite seiner geliebten Frau Anne beigesetzt werden sollte. Dann tat er im Angesicht des Kreuzes seinen letzten Atemzug.
Es stürmte und schneite schon seit zwei Wochen, und der Winter blieb so hart, wie er begonnen hatte. Noch immer kamen die Wölfe bis vor die Tore
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