Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
sie längst noch nicht genug, und sie wusste, dass sie keine Sekunde der leidenschaftlichen Nacht verpassen wollte, die ihr bevorstand.
Sichtlich enttäuscht erklärte Charles, dass ihn dann nichts auf Chaumont hielt und er nach ihrer Abreise ebenfalls aufbrechen wollte.
So blieb Alix also nur eine einzige Nacht. Erst bei Tagesanbruch trennten sie sich widerwillig in der schwachen Hoffnung, sich vielleicht bei der Rückgabe der sieben Teppiche wiederzusehen.
»Ich lege sie dir ans Herz«, flüsterte Charles, als er sie am nächsten Morgen persönlich in den Wagen packte. »Ich verspreche dir, sie werden eines Tages von sich reden machen.«
»Ihr bekommt sie ganz bestimmt zurück – außer wir werden auf dem Heimweg von Straßenräubern überfallen!«
»Weshalb Euch drei meiner Leute bis nach Tours eskortieren werden.«
In Juans Gegenwart, der sie wortlos musterte, war er wieder zur höflichen Anrede übergegangen, ließ es sich aber nicht nehmen, Alix auf den Nacken zu küssen, als er hinter ihr vorbeiging.
Juan schien verdutzt, tat dann aber so, als hätte er nichts bemerkt.
»Was sollen wir machen, wenn wir uns sehen wollen?«, flüsterte er hinter ihrem Rücken.
Sie seufzte erleichtert, aber so leise, dass er es nicht hören konnte. Es war ein kleiner Seufzer, zufrieden und zugleich ärgerlich, ein Gefühl, das sie noch nicht kannte. Charles hatte also nicht die Absicht, sie in ihren Werkstätten aufzusuchen, wie es Alessandro eines Tages getan und damit einen heftigen Streit zwischen ihm und Mathias ausgelöst hatte.
»Lasst mir Zeit. Erst kommt die Arbeit. Ich würde sagen, ich bringe Euch jeden Teppich, wenn er fertig ist.«
»Muss ich also warten, bis der erste ganz fertig ist, ehe ich dich wiedersehen kann?«
Alix stellte fest, dass Juan sie nicht mehr beobachtete. Er hatte bereits auf seinem Kutschbock Platz genommen. Also konnte sie Charles wieder duzen.
»Ich werde mit den Galanterien beginnen, weil sie mir besonders gut gefallen. Sobald sie fertig sind, bringt dir mein Kutscher eine Nachricht nach Chaumont. Wenn du wieder auf dein Schloss kommst, kannst du mir mitteilen, wann ich dir den ersten Teppich ausliefern soll.«
»Das gefällt mir ausgezeichnet, mein Herz. Darüber scheinst du aber die Einladung des Duc d’Alençon vergessen zu haben.«
»Gar nichts habe ich vergessen«, antwortete Alix lächelnd. »Am ersten Frühlingstag werde ich bei Marguerite d’Angoulême sein. Warte nicht allzu lange, wenn du mich dort treffen willst. Ich bleibe nicht länger als eine oder höchstens zwei Wochen.«
»Um nicht einen einzigen Tag mit dir zu verlieren, werde ich
bestimmt schon vor dir dort sein und dich sehnsüchtig erwarten, Liebes«, versprach er und küsste sie auf den Mund.
Bertille erwartete Alix bereits ungeduldig und kam ihr entgegengelaufen, sobald sie die Wagenräder auf dem Pflaster im Hof hörte.
Es war schon dunkel, und im schwachen Mondlicht sah man nur ihre Silhouette.
»Mathias ist zurück!«, rief sie und umarmte und küsste Alix.
»Jetzt müsst Ihr ihn aber festhalten, Kindchen!«
Alix zuckte nur traurig die Achseln. Wie sollte sie ihn festhalten, mit ihrer neuen Liebe, die an die alte anknüpfte, an Alessandro, Brügge, Florenz. Die Geburt ihrer Tochter! Manchmal verschwamm ihr alles vor den Augen, sie hörte nur noch lautes Stimmengewirr und Schreie und konnte nichts mehr erkennen.
Ohne ein Wort drehte sie sich um, als Léo auf sie zukam, um ihr die Zügel von Césarine abzunehmen.
»Ist alles gut gegangen?«, wollte er von Juan wissen, der die Kutsche noch nie allein gefahren hatte, weil er zur Bewachung der Werkstätten eingestellt worden war.
Juan berichtete ihm, dass alles ohne Zwischenfälle verlaufen war und Dame Alix ihn sehr gelobt hätte.
Dann ging Alix ins Haus. Obwohl es schon spät war, saß Mathias noch mit Nicolas am Tisch. Gemeinsam betrachteten sie eine mit Blumen, Blättern und Fabeltieren illustrierte Handschrift. Nicolas interessierte sich sehr für die Motive, die sein Vater für die breiten Teppichbordüren auswählte.
»Was hast du in Paris gemacht, Mathias?«, fragte Alix unvermittelt und merkte zu spät, dass sie diese Frage nicht hätte stellen sollen. Sie war ihr einfach herausgerutscht, so wie man sich
tapfer ins Wasser stürzt, ohne zu wissen, ob einen jemand herausfischen wird.
»Du bist nicht nach Hause gekommen, also bin ich gefahren.«
»Wir hatten aber doch gar nichts auszuliefern!«
»Das stimmt, aber ich hatte mal wieder
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