Die Blut-Prinzessin
Frauen!
Menschen, die im Prinzip niemand vermisste, die aber für Nuba mehr als wertvoll waren. Um sie ging es, sie brauchte sie. Ihr Blut war sehr, sehr wichtig.
Vor jeder Person blieb sie mit gesenktem Kopf stehen und sprach mit ihr. Es waren nur leise Worte, die aus ihrem Mund drangen, aber sie waren sehr, sehr wichtig für sie und die Zukunft, denn diese Menschen sollten ihre Botschaft in die so genannte Zivilisation tragen. Hier hatte man die alten Mächte vergessen. Hier lachte man über die Macht der Götter, aber das Lachen würde den Menschen schon vergehen. Auch ihren Landsleuten, die sich abgewandt hatten und nicht mehr an die Götter glaubten. Als die vier Frauen ermordet wurden, hatten sie bereits die Schrecken des Todes erlebt, und jetzt würden sie als wandelnde Leichen zurückkehren und die Orte aufsuchen, die sie verlassen hatten. Sie würden plötzlich vor ihren Verwandten und Bekannten stehen und sie in Angst und Schrecken versetzen.
Eine war ihr entwischt. Sie hatte bereits in der Leichenhalle gelegen. Man hatte sie verscharren wollen, dann hatte Nuba sie gerufen. Sie wollte die Untote zu sich locken, aber dazu war es nicht gekommen, denn jemandem war es gelungen, die Untote zu vernichten.
Nuba war das aufgefallen. Sie hatte es gespürt. Durch das Blut gab es eine Verbindung zwischen ihr und den Untoten, und so war keine ihrer Geschöpfe für sich allein.
Wer hatte die Kraft und wer besaß die Macht, sie zu vernichten?
Nuba wusste es nicht. Sie kannte keinen Namen. Nur war ihr klar, dass sie mit einem Gegner rechnen musste. Einer, der stark war und sich bestimmt auch auf ihre Spur setzen würde.
Im Moment herrschte Ruhe. Das große Ziel war erreicht. Sie konnte wieder vier ihrer Geschöpfe in die Welt schicken. Einer ihrer Dienerinnen war noch unterwegs. Ihr Zustand war keinem Menschen aufgefallen. So hatte sie sich als Tänzerin engagieren lassen und pflanzte ihre Botschaft fort.
Nuba umging die vier Nackten. Sie trug jetzt die Waffe in der rechten Hand, die für sie so wichtig war. Es war der alte Dolch, mit dem sie jede Einzelne in den Tod geschickt hatte. Ein Stich an einer bestimmten Stelle des Körpers hatte ausgereicht.
Die Waffe hatte einen goldenen Griff, während die Schneide in einem kalten Blau schimmerte. Ein Blutdolch, der perfekt zu einer Blut-Prinzessin passte.
Sie lächelte vor sich hin, als sie mit der Spitze über die Körper der Liegenden strich. So leicht, dass die Haut nicht verletzt wurde. Sie malte mit der Waffe Zeichen auf die Körper und fing dabei an, in einem ungewöhnlichen Singsang zu sprechen.
Es schien, als wollte sie mit den Toten Kontakt aufnehmen und Grüße in ihr kaltes Reich schicken. Alles lief nach bestimmten Ritualen ab, und auch die Bewegungen der Blut-Prinzessin wirkten entsprechend. Sie führte sie langsam durch, und nichts wirkte eckig oder überstürzt.
Bis zu dem Augenblick, als zweierlei mit ihr geschah!
Zuerst schrie Nuba auf. Dann riss sie ihren rechten Arm mit der Waffe in die Höhe. Zugleich warf sie sich zurück, doch sie fiel nicht zu Boden. Mit tappenden Schritten lief sie zurück und wurde erst von der Wand gestoppt.
Dort blieb sie stehen! Ihre Selbstsicherheit war verschwunden. Sie atmete schwer und laut. Ihr Oberkörper bewegte sich nach vorn, und ihre freie Hand presste sie in die Magengegend.
Nuba wusste genau, was da passiert war. Sie hatte es in dieser Nacht schon mal erlebt. Es hatte eine ihrer Dienerinnen erwischt, und das konnte nur die Tänzerin sein.
Wieder mal.
Die zweite...
Warum?
Die Frage durchtoste ihren Kopf. Sie atmete heftig. Sie stöhnte auch auf, und sie wurde von kalten und heißen Schauern durchflossen, die sie vom Kopf bis zu den Zehenspitzen erfassten.
Es dauerte über zwei Minuten, bis sich der Anfall legte. Und noch eine Minute verging, bis sie sich so weit gefangen hatte, dass sie wieder klar denken konnte.
Es war kein Zufall, dass die zweite Person gestorben war. Das glich bereits einer Taktik. Jemand wusste verdammt gut Bescheid. Der Verdacht, dass ihr jemand auf den Fersen war, verstärkte sich.
Ihr Gesicht wurde zu einem Spiegelbild ihrer Gefühle. In den Pupillen schienen kleine, helle Funken zu tanzen. Die Lippen zogen sich in die Breite. Tief in dem Rachen wurde das Stöhnen geboren, das dann als Laut der Wut oder des Hasses aus ihrem Mund drang.
Sie würde nicht aufgeben. Jetzt nicht. Sie würde kämpfen, und sie würde gewinnen, denn eine Blut-Prinzessin verlor nicht...
***
Das
Weitere Kostenlose Bücher