Die Blutgabe - Roman
Zeit. Nicht für dich oder für White Chapel, sondern aus persönlichen Gründen. Und dieser Ausstieg wird Konsequenzenfür die anderen Mitglieder der
Bloodstalkers
haben, die sich ganz sicher nicht mit deinen Moralvorstellungen decken. Ich halte es auch für möglich, dass ich danach nicht länger hier arbeiten kann, sondern für unbestimmte Zeit von der Bildfläche verschwinden muss. Das solltest du wissen, bevor wir eine Abmachung treffen. Aber wenn du mich nach meinen Wünschen fragst – dann würde ich gern so lange wie möglich in White Chapel bleiben, um die Experimente weiterzuführen. Und ich wäre bereit, dir im Gegenzug Menschen mit Wahrem Blut zu beschaffen.«
Stille sank zwischen den beiden Vampiren herab. Eine ganze Weile dachte Cedric schweigend über das nach, was er gerade gehört hatte.
»Du bietest mir sechs Menschen mit Wahrem Blut, wenn ich deine Kündigung akzeptiere?« Er runzelte die Stirn. »Entschuldige, aber ich kann nicht anders als mich zu fragen, wo an diesem Angebot der Haken ist.«
Ein feines Lächeln huschte über Kris’ Züge. »Kein Haken«, sagte er. »Aber du hast natürlich recht, ganz so nobel sind meine Bedingungen nicht. Zum einen möchte ich den Zeitpunkt bestimmen dürfen. Und zwei der Menschen möchte ich für mich selbst, da sie von meinem Stamm sind.«
»Verstehe.« Cedric nickte. »Da kommen wir der Sache schon näher.«
Kris neigte den Kopf. »Es handelt sich dabei um Chase, den du schon kennst, und um einen zweiten Jungen namens Red. Außerdem«, er holte tief Luft, »möchte ich deine Erlaubnis, Versuchsobjekt Nr. 159 mitzunehmen, wenn ich gehe. Und bitte frag mich nicht nach den Gründen.«
Erneut schwieg Cedric eine Weile. Was tat er hier eigentlich? Hatte er nicht eben noch angekündigt, nicht zu verhandeln?Und dennoch – das Angebot war schwer auszuschlagen. Vier Menschen. Immerhin. Das war ein guter Anfang. Und Kris würde ihn von einem nutzlos gewordenen Versuchsobjekt befreien. Ein Versuchsobjekt, das schon viel zu lange eine ihrer Zellen blockierte, weil Cedric keine Gedanken für sie übrig gehabt hatte.
Er runzelte die Stirn. »Ich gehe vermutlich richtig in der Annahme, dass du schon einen Plan hast, wie du sie hierher bringen willst?«
Kris nickte. »Sie werden kommen. Du brauchst sie dann nur noch von Sid einfangen zu lassen. Gib mir die Erlaubnis, mich mit ihm abzusprechen und ihm Anweisungen zu geben. Dann werde ich dir so bald wie möglich den Termin …«
In diesem Moment ertönte draußen auf dem Gang ein erstickter Schrei.
Cedric sprang alarmiert auf. »Pei Lin!«
Fast im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür. Sid betrat den Raum. Die konsterniert dreinschauende Pei Lin zog er am Ohr hinter sich her.
»Ich hab’ hier wen gefunden, Doc.« Der Wächter grinste über das ganze Gesicht. »Sie schlich so auf dem Flur herum, da dachte ich, es täte ihr gut, mal ordentlich erschreckt zu werden.«
»Lass mich los!«, zischte Pei Lin wütend und bemühte sich sichtlich, nicht all zu würdelos auszusehen.
Cedric seufzte. »Lass sie los, Sid.«
Sid gehorchte, jedoch offensichtlich mit einigem Bedauern.
»Was gibt’s, Pei Lin?«
Pei Lin rieb sich das Ohr, verzog aber sonst keine Miene. »Es ist schon nach Mitternacht«, erklärte sie steif. »Ich wolltegerade klopfen, um dich an die Besprechung zu erinnern. Und dann ist Sid aufgetaucht.«
Ein zufriedenes Glucksen ertönte aus der Richtung des Wächters.
Kris und Cedric wechselten einen Blick. Die Mitarbeiterbesprechung. Die hätte Cedric beinahe vergessen. Er hätte sich ohrfeigen können.
»Wir kommen«, sagte er schließlich. »Geh schon mal vor und pass auf, dass Janet nicht alles allein trinkt.«
»Ist gut«, murmelte Pei Lin, ganz offensichtlich noch immer verstimmt. »Bis gleich.« Geräuschvoll zog sie die Tür hinter sich zu.
Kris sah nachdenklich auf die Stelle, an der die Chinesin bis eben gestanden hatte.
»Glaubst du, sie hat etwas gehört?«
Cedric hob die Schultern und runzelte die Stirn. »Möglich. Ich werde mich später darum kümmern.«
Kris schüttelte mit einem leichten Lächeln den Kopf. »Manchmal machst du mir fast Angst.«
»Ach.« Cedric hob spöttisch die Brauen. »Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Ich muss in solchen Situationen immer darüber nachdenken, ob du dich wohl auch um mich schon einmal ›gekümmert‹ hast. Nichts für ungut, aber das ist keine besonders angenehme Vorstellung.«
Ein trockenes Lachen entwischte Cedric. »Keine Sorge.
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