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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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Büschen.
    Auch die Menschen machten sich auf den Weg zurück ins Haus. Niemand sagte ein Wort. Sie alle waren erschöpft und noch immer verwirrt von den jüngsten Ereignissen.
    Als Red sich jedoch noch einmal umwandte, sah er, dass Sarah auf dem Platz zurückgeblieben war.
    Zögernd blieb er ebenfalls stehen.
    Keiner der anderen bemerkte, dass er ihnen nicht folgte. Sie waren zu beschäftigt mit ihren eigenen Gedanken.
    Langsam ging Red zu Sarah zurück, die mit leeren Augen in den Regen starrte. Ihr Gesicht war nass, und aus ihren Haaren tropfte das Wasser. Doch Red hätte schwören können, dass es auch Tränen waren, die über ihre Wangen rollten. Sie reagierte nicht, als er sich näherte. Erst als er kaum einen Schritt von ihr entfernt stehen blieb, wandte sie ihm langsam den Blick zu.
    »Tut mir leid«, murmelte er.
    Ein winziges, gequältes Lächeln erschien auf Sarahs Lippen – und nun sah er, dass sie wirklich weinte. »Schon gut«, flüsterte sie so leise, dass er sie über dem Regen kaum verstehen konnte. »Ich freue mich für dich.«
    »Aber …« Red presste die Lippen zusammen. Sie war so enttäuscht, dass es ihm selbst wehtat. Wenn er nur gekonnt hätte, er hätte ihr angeboten, zurückzutreten. Chase zu sagen, dass es ihm reichte, in der nächsten Woche auf seinen ersten Einsatz zu gehen.
    Aber das war unmöglich. Er konnte keine Woche mehr warten. Hätte er die Wahl gehabt, er wäre noch viel lieber sofort aufgebrochen. Und es hätte ja auch nichts genützt. Red war noch immer nur »der Neue«. Es war nicht seine Anerkennung, die Sarah brauchte.
    »Geh ruhig«, sagte sie. »Mach dir keine Sorgen um mich. Das wird schon wieder.«
    »Ich …« Red runzelte unsicher die Stirn.
    »Ich möchte jetzt gern ein bisschen allein sein.«
    »Oh.« Red nickte. »Tut mir leid.«
    »Nein …« Erneut erschien ein Lächeln auf Sarahs Gesicht, aber diesmal wirkte es etwas weniger verzweifelt als zuvor.Sie seufzte tief. »Danke, Red. Ich wünschte wirklich, du könntest mir helfen. Aber das kannst du nicht. Tony wird mir helfen. Ich gehe gleich zu ihm. Also mach dir keine Sorgen.«
    »Okay …« Red nickte. Aber in diesem Moment wünschte er sich wirklich, er hätte auch nur irgendetwas sagen können, das sie tröstete. »Also dann … sehen wir uns beim Abendessen?«
    »Vielleicht.« Sie hob die Schultern. »Wahrscheinlich.«
    »Schön.« Red bemühte sich um ein Lächeln. »Und wenn du … also wenn du reden möchtest, dann …« Er brach ab und kam sich dumm vor. Warum sagte er das? Immerhin hatte sie ihm gerade deutlich zu verstehen gegeben, dass er ihr nicht helfen konnte.
    Aber Sarah lachte nur leise.
    »Du bist so süß, Red«, sagte sie und wischte sich mit der Hand die Tränen aus den Augen. »Ich wette, auf deiner Farm warst du der Renner bei den Mädchen.«
    Red spürte, wie er rot wurde. »Ich … also … ich weiß nicht …«
    Sarah legte den Kopf schief und lächelte. »Doch. Aber ich weiß es.« Sie seufzte schwer.
    »Na ja. Ich gehe dann zu Tony.«
    Mit einem weiteren Lächeln stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange, bevor sie sich abwandte. »Bis bald.«
    »Bis bald«, murmelte Red und sah ihr nach, wie sie durch den Regen davonging.
    Der Renner bei den Mädchen
, dachte er und spürte, wie der Gedanke ihn auf eine merkwürdige Art und Weise traurig machte. Ja, vielleicht konnte man das so ausdrücken. Er warbeliebt gewesen auf der Farm, das konnte er nicht abstreiten. Aber das waren Frauen ohne Namen, die in Reds Erinnerung nicht einmal mehr Gesichter hatten. Oder vielmehr hatten sie alle das gleiche Gesicht. Ein Gesicht, das Red so liebte – und das doch von Tag zu Tag mehr verblasste, egal, wie sehr er sich dagegen wehrte.
    Nicht real
, dachte er und fühlte, wie der Gedanke ihm schwer auf die Brust drückte. Er konnte es nicht leugnen: Blue verlor immer mehr an Wirklichkeit, je länger er hier blieb. Wie lange würde es dauern, bis er sich nicht mehr an ihre Stimme erinnern konnte? Daran, wie ihre Haut sich unter seinen Fingern angefühlt hatte?
    Es wurde Zeit, dass er hier herauskam. Zeit, dass er sie endlich fand.
    Denn sonst – das wusste er mit einer schrecklichen Gewissheit – würde er früher oder später den Teil von sich verlieren, der Blue gehörte.
    Und das wollte er niemals ertragen müssen.

Kapitel Sechzehn
    Insomniac Mansion, Kenneth, Missouri
    »Manchmal habe ich das Gefühl, wir alle hier drin sind schon tot. Hier kämpft niemand für irgendetwas.

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