Die blutige Sonne
»Wie du willst, wenn ihr alle es für das beste haltet. Dann wirst du nach Neskaya gehen, Cassie? Und was ist mit dir, Arnad?«
»Ich bin in Versuchung, dich nach Terra zu begleiten«, meinte der rothaarige Mann in Grün und Gold herausfordernd. »Aber wenn du unter Jeffs Schutz gehst, wäre das unklug. Ich vermute, er wird dich als seine Frau ausgeben müssen?«
Cleindori zuckte die Schultern. »Mir ist es gleichgültig, als was die Terraner mich eintragen. Sie leben mit ihren Computern und glauben, da etwas wahr ist, weil es als wahr verzeichnet steht. Was geht mich das an?«
»Dann gehe ich und treffe die notwendigen Vorbereitungen«, sagte Jeff. »Aber seid ihr alle hier sicher? Ich weiß nicht recht …«
Arnad legte mit stolzer Geste die Hand ans Schwert. »Ich habe das hier; ich werde sie beschützen!«
Nachdem Jeff gegangen war, schien die Zeit nicht vergehen zu wollen. Cassilde brachte die Zwillinge in einem Alkoven hinter einem Vorhang zu Bett. Arnad lief ruhelos im Zimmer auf und ab, und seine Hand fuhr immer wieder an das Heft seines Schwerts. Das Kind Damon kniete vergessen auf dem Teppich, bewegungslos, wartend, erfüllt von den bösen Vorahnungen der Erwachsenen um ihn. Endlich sagte Cleindori: »Jeff sollte längst zurück sein …«
»Still«, unterbrach Cassilde sie aufgeregt. »Hast du das gehört? Jetzt … da ist jemand auf der Straße!«
»Ich habe nichts gehört«, antwortete Cleindori ungeduldig. »Aber ich habe Angst, daß Jeff etwas zugestoßen ist! Hilf mir, Arnad.«
Sie zog die Matrix aus ihrem Ausschnitt und legte sie auf den Tisch. Das Kind schlich sich auf Zehenspitzen näher und starrte den Stein fasziniert an. Seine Mutter hatte ihn in letzter Zeit so oft hineinsehen lassen. Arnad meinte, er sei noch zu klein, es könne ihm Schaden tun. Aber der Junge wußte, aus irgendeinem Grund wünschte seine Mutter, daß er mit der Matrix, die niemand, nicht einmal sein Vater oder einer seiner Pflegeväter, je hatte berühren können, umzugehen lernte.
Er rückte näher an den leuchtenden Mittelpunkt des Kreises heran. Das Licht fiel auf die Gesichter, die sich über die Matrix beugten. Irgendein leises Geräusch lenkte seine Aufmerksamkeit ab. Er drehte sich um, und in steigendem Entsetzen sah er, daß der Türknauf sich drehte …
Er schrie. Arnad drehte sich einen Augenblick zu spät um. Die Tür flog auf, und das Zimmer füllte sich mit Gestalten in Kapuzen und Masken. Ein Messer flog durch die Luft und traf Arnad in den Rücken. Er stürzte mit einem gurgelnden Laut zu Boden. Das Kind hörte Cassilde laut schreien und sah sie fallen.
Cleindori bückte sich und riß Arnads Messer an sich, kämpfte mit einem der maskierten Männer.
Das Kind warf sich schreiend auf die dunklen Gestalten, schlug mit den kleinen Fäusten auf sie ein, biß, trat, kratzte wie ein kleines, wütendes Tier, wilde Drohungen schluchzend. Er sprang einem der Männer in den Rücken.
»Laß meine Mutter los …! Laß sie los, kämpfe wie ein Mann, du Feigling …«
Cleindori schrie auf und riß sich von dem Mann los, der sie festhielt. Sie drückte Damon fest an ihre Brust, und er nahm ihr Entsetzen wie einen körperlichen Schmerz wahr, der in einem gewaltigen blauen Glühen wie das der Matrix von ihm Besitz ergriff … Es gab einen Augenblick blendenden, flammenden Rapports, und das Kind nahm unter grauenhafter Pein in sich auf, was sie getan hatten, nahm jeden Augenblick von Cleindoris Leben in sich auf, das vor ihren Augen vorüberraste …
Rauhe Hände packten ihn. Er wurde durch die Luft geschleudert und schlug mit dem Kopf auf den Steinfußboden. Schmerz explodierte in ihm, und er blieb liegen. Bevor er in Dunkelheit versank, hörte er eine Stimme rufen:
» Sag dem Barbaren, er soll nie wieder auf die Ebenen von Arilinn kommen! Der Verbotene Turm ist zerbrochen, und die letzten seiner Kinder, selbst das ungeborene, liegen tot. So werden wir mit allen Renegaten verfahren, bis ans Ende aller Tage! «
Unglaublicher, unerträglicher Schmerz stach ein Messer durch sein Herz. Dann brannte der Rapport gnädigerweise aus, und das Zimmer wurde dunkel, und die Welt verschwand in Dunkelheit …
Es klopfte an der Tür. Das Kind, das bewußtlos auf dem Fußboden lag, rührte sich und wimmerte fragend. Ob das sein Pflegevater war? Aber er fühlte nur Fremdheit, er sah nur Dunkelheit und die fremden Männer, die in das Zimmer stürzten. Sie kommen wieder, um mich zu töten! Die Erinnerung flutete zurück und
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