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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freund?
    Die ganzen Jahre zuvor – konntest du noch wirklich mit ihm reden? Der unaufhaltsame Aufstieg des Dieter Reissner, was hattest du damit zu tun? Hast du dich um ihn gekümmert, ihn einmal freiwillig angerufen? Er aber, ja, er kam. Kam immer. War plötzlich da.
    »Noch einen.«
    Der junge Mann zog eine resignierte Grimasse. Sollte er …
    Dieter tauchte unerwartet bei dir auf, zog seine Schau ab, gab Ratschläge, wollte dir irgendwelche Promi-Kunden aufschwatzen – und blieb trotzdem immer irgendwie schüchtern, als erwarte er etwas von dir. Und dann der letzte Besuch. Seine Angst …
    Wieder beschlich Jan Herzog das Gefühl, der Freund stehe hinter ihm, so nah, daß er seinen Atem spüren müßte … Aber da war kein Atem. Da war auch kein zweites Gesicht im Spiegel. Da war nur er …
    Er sieht dich an! Er ist da! Er kann nicht anders! Wo soll er denn hin? Wem könnte er schon etwas erklären? Dir, ja … Aber hast du irgendwann einmal den Versuch gemacht, ihn richtig zum Sprechen zu bringen – oder auch nur ihm zuzuhören, ehrlich zuzuhören?
    Du hattest ja soviel um die Ohren! Und Freunde? Gibt's das heute noch? – Damals war's anders … Sie steigen die Rotwand hoch, haben sie geschafft, erreichen endlich das schmale Felsband, von dem aus es in den Kamin geht. Sie kauern sich nieder … Da ist Dieters dünnes Lächeln, sein blasses Gesicht, die von der Anstrengung bläulichen Lippen: »Ich muß doch verrückt sein! Wieso tu ich so 'nen Scheiß?«
    »Ach, Dieter, nimm 'nen Schluck Tee. Dann geht's weiter.«
    »Klar. Aber warum?«
    »Weil's dir Spaß macht.«
    »Jan! Entweder hast du den Arsch offen, oder du bist blind. Ein gescheiter Doktor wirst du nie. Spaß soll's mir machen? Du, ich hasse diese sinnlose Krampferei. Ich hasse den Fels! Ich hasse es, eine idiotische Wand hochzuklettern, wenn man die Sache bequem mit der Seilbahn erledigen kann.«
    »Aber …«
    »Kein Aber. Willst du noch was wissen: Ich hasse das nicht nur, ich habe auch noch eine Heidenangst. Ich mach' mir fast die Hosen voll, jawohl. Ich kann doch noch nicht mal da runtersehen, ohne daß es mir schwindelig wird.«
    »Und wieso hast du das nie gesagt?«
    »Wieso, wieso … Weil ich mich nicht blamieren wollte. Und schon gar nicht vor dir, meinem besten Freund.«
    »Wir können wieder absteigen«, hatte er vorgeschlagen.
    Und Dieter? Den Kopf hatte er geschüttelt: »Jetzt erst recht nicht. Jetzt machen wir weiter …«
    Rio Martin hatte den richtigen Riecher gehabt: Der Fall war nichts für ihn. Er hätte den Hörer im ›Le Café‹ gar nicht in die Hand nehmen dürfen oder Stockmann sofort zum Teufel schicken müssen, aber dazu war's zu spät.
    Sein Hintern schmerzte. Der Nacken auch. Die Luft im Wartezimmer – absolut unerträglich! Da hockte er nun und blätterte dieselbe verdammte Frauenzeitschrift zum dritten Mal durch. Dieses Mal von hinten. Um ihn drängelte und quengelte es, Stuhl an Stuhl. Drei Patienten hatten sich sogar auf die Fensterbank gesetzt. Bis auf ein Do-it-Yourself-Magazin war jede Zeitschrift beschlagnahmt.
    Rio sah auf seine Uhr: Dreißig Minuten schon! – Keine einzige mehr, dachte er und stand auf. Zum Golfen war's zu spät. Er würde nach Hause fahren, die Redaktion anrufen, den Auftrag zurückgeben, fernsehen, lesen – oder, wenn's schon nicht anders ging, sich das Material für die Skinhead-Serie vorknöpfen. Auch nicht gerade umwerfend, das Thema, aber es entsprach immerhin den Erwartungen, die seine Leser an ihn stellten. Und es war ein bundesweites Thema. Aber ein bescheuerter ACS-Manager, dem nichts Besseres einfiel, als Frau und Kind zu erschießen, wen interessierte das schon außerhalb Münchens?
    Außerhalb Münchens? – Außerhalb Harlachings …
    Wieder kamen Leute durch die Tür. Die Praxis lief. Aber aufgerufen wurde niemand.
    Dieser Herzog hatte vielleicht ein System! Sollten sich seine Patienten bis um neun Uhr abends hier auf den Zehen stehen?
    Er ging hinaus und stellte sich an die kleine weiße Resopalabtrennung, hinter der die Sprechstundenhilfe saß.
    »Hören Sie, Dr. Herzog scheint ja nun wirklich ziemlich lange aufgehalten worden zu sein.«
    »Ja, stimmt.« Sie verzog das müde Gesicht zu einem blassen Lächeln. »Ich kann es auch nicht verstehen. Sonst meldet er sich in solchen Fällen immer.«
    »Ich schaue später nochmals vorbei.« Es war eine als Höflichkeitsfloskel getarnte Lüge. »Vielleicht können Sie mir dann einen Termin geben.«
    »Sie können auch anrufen. Hier,

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