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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bitte. Morgen fängt doch das Wochenende an …«
    Sie schob ihm eine Karte zu. Auch Herzogs Privatnummer war aufgedruckt. Er erkannte, daß sich seine Wohnung im selben Haus befand wie die Praxis.
    »Vielen Dank.«
    Er ging die knarrenden Stufen hinab, betrachtete eine Sekunde andächtig die hübschen Jugendstilornamente an der Tür, zog sie auf – und gab die Klinke nicht aus der Hand …
    Was sollte das denn?!
    Von der Hausschwelle, auf der er stand, bis zur Fahrbahn jenseits der grauen Betonplatten des Bürgersteigs waren es nicht mehr als vier Meter. Und genau dort, wo er hinsah, schleuderte gerade mit qualmenden Reifen ein Wagen. Es war ein kleiner roter Opel Corsa. Auch der Wagen hinter ihm und ein grauer Transit, der auf der zweiten Fahrspur herankam, ließen die Reifen quietschen.
    Genau in seiner Blickrichtung aber, in der Mitte der Furt, die die blockierenden Autoräder geschaffen hatten, saß ein Mann auf dem Asphalt und starrte ihn an. An dem verschwommenen Blick erkannte Rio sofort, daß er betrunken war. Er hatte ein mageres Gesicht, graue Haare, tiefliegende, dunkle Augen – ein gutgeschnittenes Gesicht, zweifellos, doch darüber lag wie ein maskenhafter Firnis die Starre des Alkohols. Der Mann war besoffen … Sitzt besoffen um fünf Uhr mitten im Stoßverkehr und krabbelt auf dem Asphalt herum!
    Rio rannte los.
    Nun sah er auch den Aktenkoffer. Der Mann war in die Hocke gegangen, bückte sich danach, verlor sofort das Gleichgewicht und drohte, zur Seite zu rollen.
    »Ja, wo sammer denn?«
    Der Fahrer des Transit streckte einen hochroten Kopf aus dem Führerhaus heraus. »B'soffen am Nachmittag! Ja, dös hat mer gern … Schaffen S' den Mann da weg, eh i durchdreh! Schaffen S' ihn weg!«
    Er ließ den schweren Motor aufdröhnen.
    Es war kein Akten-, dies war ein Arztkoffer! Und Rio Martin wußte nun, wem er gehörte und wer es nicht einmal fertigbrachte, von der Fahrbahn wegzukommen. Am Griff hing ein kleiner Anhänger: ›Dr. Jan Herzog‹.
    »Kommen Sie, ich helf Ihnen.« Er schob seinen Arm unter Herzogs Achsel und zog ihn hoch.
    »Mein Koffer …«
    »Hab' ich doch schon. Jetzt kommen Sie!«
    Herzog taumelte, verzog das Gesicht zu dem fragenden, staunenden Lächeln aller Betrunkenen dieser Welt. Der Kopf pendelte, aber er ließ sich schleppen. Und er war schwer.
    Keuchend postierte Martin den Rücken des großen, hageren Mannes an eine graue Zementsäule.
    »Vie… vielen Dank … Ich bin Ihnen wirklich sehr verbunden. Das war sehr freundlich von Ihnen …«
    »Ja«, sagte Rio, »aber es ist noch nicht zu Ende.«
    »O doch … Ich wohne hier.«
    »Das weiß ich, Herr Doktor. Sie wohnen hier. Aber wie wollen Sie in die Wohnung kommen?«
    »Oh … das ist kein Problem. Wissen Sie, ich … ich muß mich entschuldigen … bin etwas durcheinander … Ich habe einen schweren Verlust erlitten … Wenn Sie verstehen, was ich meine …«
    Herzog setzte sich in Bewegung – jedenfalls wollte er sich in Bewegung setzen –, hielt die Arzttasche hoch, doch der Arm konnte das Gewicht nicht halten und begann zu pendeln.
    Rio nahm ihm die Tasche ab und hakte sich bei ihm ein. »Nun kommen Sie schon. Es ist wirklich nicht weit. Und es ist auch nicht schwer. Sie müssen sich nur ein bißchen auf mich stützen, ja?«
    Rio hörte die Spülung rauschen. Er lehnte sich zurück und sah sich in dem großen Raum um: sehr viele Bücher, wenig Möbel, hübsche, moderne, eigentlich sehr fröhliche Bilder an der Wand. Die Stereoanlage, das TV-Gerät – die Wohnung eines Junggesellen. Nichts, das auf die Existenz einer Frau oder gar einer Familie hingewiesen hätte. Doch! Über dem kleinen Naturholzsekretär hingen Kinderfotos. Geschieden – ist die Diagnose für den Doktor, geschieden, gestreßt, einsam … Und was den Alkohol oder andere Katastrophen anging, schien er auch nicht besonders belastungsfähig.
    Jetzt kam Klappern aus der Küche. Und da war er auch schon: das Gesicht fahl, die Haare struppig und naß. Ein Handtuch hatte er sich um den Hals gelegt, und in den Händen hielt er eine große Flasche Mineralwasser und zwei Gläser. Gehen konnte er auch wieder …
    »Auch ein Wasser? Tut mir leid, außer Alkohol ist nichts im Haus. Und den kann ich nicht mehr sehen.«
    Er stellte die Flasche und die Gläser auf den Sekretär und griff zum Telefon, das dort stand. Er legte die Hand über die Muschel, als schäme er sich für das, was es zu sagen gab. »Ja, schicken Sie die Leute nach Hause. Erzählen Sie ihnen, was

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