Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
raus.«
    Er setzte sich in den zweiten Sessel, Rio gegenüber. »So, Presse? Leute wie Sie müssen ja wohl sein, nicht? Und Sie wollen wissen, was ihn dazu getrieben hat? Ich weiß, was ihn dazu getrieben hat. Ich kann – ich könnte es Ihnen sagen …«
    »Sie müssen. Nicht mir, aber der Polizei. Und ich kann Ihnen auch den Namen des Mannes nennen, der den Fall untersucht.«
    »Den Fall«, wiederholte Herzog bitter. »Der Fall Reissner … Reissner war nichts als ein verzweifelter Mensch, der die Orientierung verloren hat …«
    Er betupfte sich mit dem weiten Ärmel seines Bademantels die Stirn. Dann sprach er weiter, und seine Stimme war jetzt ganz klar: »Dieter Reissner und ich waren Freunde. Freunde aus der Studienzeit. Er machte Karriere, und wir sahen uns sehr lange nicht. Aber dann, vor etwa sechs oder sieben Jahren, trafen wir uns zufällig in der Stadt. Seither hielten wir einen losen Kontakt. Irgendwie waren wir zu verschieden, um noch eng befreundet zu sein. Und irgendwie haben wir auch zu verschiedene Lebensrichtungen eingeschlagen, verstehen Sie?«
    »Ja.«
    »In den letzten zwei, drei Jahren kam er häufiger zu mir. Na, sagen wir jeden Monat einmal. Er hatte einen schweren Autounfall erlitten. Beckenbruch und alles mögliche andere. Sie haben ihn wieder einigermaßen zusammengeflickt, aber irgendwie spielte dieser Unfall eine ziemliche Rolle. Er war – nun, eine Art Zäsur in seinem Leben, verstehen Sie? Er kam mit immer neuen Beschwerden an. Oberflächlich gesehen hatten sie mit seinen gebrochenen Knochen überhaupt nichts zu tun. Schnupfen, Kreislaufstörungen, gelegentliche Schwächeanfälle … Dann ziemlich schwere Grippen, eine Pulmonie. Nun ja, man konnte dagegensteuern, es war nicht so schwierig. Was ihn am meisten beschäftigte, war dieser allgemeine Tonus-Abfall, die Kreislaufstörungen … Es beschäftigte ihn nicht nur deshalb, weil er ein sehr sportlicher Mensch war, nein, es ging ihm um den Job. Eigentlich ging es ihm immer um den Job. Er gehörte zu den Leuten, die sich durch ihre Arbeit definieren.«
    »Ja«, bestätigte Rio, »das habe ich schon gehört.«
    »Er wollte, er mußte einfach immer powern. Wahrscheinlich wollte er sich ständig irgend etwas beweisen. Wieso, das habe ich nie genau herausgefunden. Aber nun ging das nicht mehr so recht. Er verlor Gewicht, eine Darmsache kam hinzu. Mir blieb einfach unklar, welchem Krankheitsbild ich sie zuordnen sollte. War das ein einfacher Infekt, war es eine virale Geschichte …«
    Er machte wieder eine Pause, als bereite ihm das Sprechen Mühe. Sein Blick streifte Rio – aber er war weit weg. »Gut, ich schlug eine umfassende Untersuchung vor. Doch Dieter hatte ja nie Zeit. Irgendwie erschien mir die Sache dann immer sonderbarer. Nein, eigentlich stimmt das nicht. Ich hatte einen präzisen Verdacht. Aber der erschien mir vollkommen unmöglich. Trotzdem wollte ich ihn ausräumen. Und zunächst wollte ich das wohl eher für mich.«
    »Welchen Verdacht hatten Sie?«
    »Gleich … Ich schickte also neue Blutproben ans Labor. Wie gesagt: Ich wußte, daß mein Verdacht ziemlich absurd war. Allerdings, aus heutiger Sicht, was heißt da schon absurd? Aber damals, sehen Sie, damals gab's für mich einen ganz entscheidenden Punkt: Dieter hing an seiner Familie. Vor allem hing er an seiner Frau. Vielleicht, daß ihm Sex nicht sehr viel bedeutete und daß es ihm deshalb besonders leicht fiel, treu zu bleiben. Zu diesen Spesenkrüppeln von Managern, die in jedem Club die Puppen tanzen lassen müssen, nur um zu zeigen, was für tolle Typen sie doch sind, gehörte er jedenfalls nicht. Treu zu sein war für ihn – nun ja, so was wie Selbstverständnis und moralische Forderung zugleich. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Rio hielt die Hände verschränkt. Ein Wort drängte sich ihm auf. Das Wort hieß: AIDS.
    Er sprach es nicht aus. Er dachte es nur. Das also ist es, dachte er und wartete auf die Bestätigung. Das ist es: Reissner hatte Aids! Und als er es erfuhr, lief er Amok …
    Dr. Jan Herzog starrte ihn aus dunklen, rotgeäderten Augen an: »Ich hatte sein Blut zum HIV-Test gesandt. Das war vergangene Woche. Dann fuhr er nach Sachsen. Zuvor aber rief er mich an. Er brauchte neue Mittel, um seine Verdauung zu regulieren. Ich schickte ihm ein Ärztemuster durch ein Taxi … Wir telefonierten noch mal. Ich sagte ihm dabei, daß ich einen neuen Test machen lasse – das heißt, ich umschrieb es, redete eine Menge um den heißen Brei herum, aber er

Weitere Kostenlose Bücher