Die Blutmafia
dunklen Pulli. Und als ob das alles noch nicht reichte, hatte er die fettigen Haare zu einem Zöpfchen gebunden.
Da stand er also, im Gang, an der dritten Reihe der Blutspenderliegen, und grinste.
»Na, was denn?«
Ruhe, sagte sich Jürgen Cenitza. Nur nichts verderben. Kein Krawall … Es war ein ruhiger, stiller Abend. Und Cenitza hatte eine Menge vor. Auch im großen Bürohaus war es still, zu still für seinen Geschmack. Die Arbeit hatte er sich gemütlich vorgestellt: Zuerst ein paar Happen essen, ein Bier dazu, und dann nochmals rüber an den Aktenschrank. Die wichtigsten der Blutspenderakten lagen bereits vorsortiert auf dem Tisch. Da waren sie alle drin, Name um Name, die Fixer von St. Georg, die Stricher und Junkies.
Jahr um Jahr ließen sie sich von ›Bio-Plasma‹ abpumpen. Fünfzig Mark pro Sitzung. Und die Herren in Bernhagen machten dann das große Geschäft. Nun, Cenitza hatte die Sicherheitsschlüssel. Und im Aktenschrank steckte noch mehr, da war er sich ganz sicher. Aber was er bereits hier hatte, war Explosivmaterial. Sprengwert: ein paar Tonnen Dynamit.
Er hörte die Stimme immer noch: »Wir machen die Hamburger Außenstelle leider dicht, Herr Cenitza. Angesichts der Umstände ist es leider ausgeschlossen, daß wir Ihren Vertrag verlängern.«
Eilig hatten sie's, morgens schon kam der ›Bio-Plasma‹-Laster aus Bernhagen, und nicht nur die Liegen würden verschwinden und die Zapfausrüstung – die Akten auch. Sollten sie das Zeug doch holen! Er brauchte nur noch die Kamera draufzuhalten, und der ganze Bernhagener Verein mit seinen fettgefressenen Bonzen würde in die Luft fliegen. So einfach war das …
Nur mit diesem Clown hier hatte Cenitza nicht gerechnet. Konnte er gar nicht. Ja, wie denn? – Doch Freak oder Junkie, seine Chance ließ er sich von dem Kerl nicht vermasseln!
Jürgen Cenitza stand auf. Die Neonröhren über den Liegen waren abgeschaltet. Für die Arbeit reichte die Beleuchtung an der Datentheke.
Ganz exakt konnte er das Gesicht des anderen nicht ausmachen, sein Grinsen aber schon, und nach dem, wie er sich aufführte und wie er angezogen war, konnte er durchaus zu den Stammkunden vom St.-Georg-Platz gehören. Nun, das hatte sich geändert. Neue Zeiten waren angesagt. Und den Pennern und Strichern wurde der Hahn zugedreht.
Dem hier war das wohl noch nicht einmal klar. Dabei stand's draußen an der Haustür.
»Wie bist du überhaupt hereingekommen?«
Cenitza spürte die Wut in den Schläfen pochen. Aber er stand jetzt, stand in seiner ganzen Länge, und es war ihm gleich wohler. »Na, los schon …«
Keine Antwort.
Er machte zwei Schritte, winkelte den rechten Arm ab. »Ich hab' dich was gefragt.«
Der Typ ließ ein leises Kichern vernehmen. »Yes, Massa. Großer weißer Massa fragt kleinen Kanaken-Boy. Großer weißer Massa will wissen, wie kleiner Kanaken-Boy ins Haus kommt … Kleiner Kanaken-Boy hat viel, viel Angst …«
Das alles wurde von einer von Kichern unterbrochenen, hohen, unnatürlichen Stimme herausgepreßt.
Der hat sich doch tatsächlich noch eine Spritze gesetzt, dachte Cenitza. So, wie der herumgeiert … Total verrückt ist das! Aber so was hast du auch schon erlebt. Nichts gibt's, was du in dem Laden nicht mitgemacht hast. Typen im Vollrausch, Typen auf dem Trip, Nutten, Türken, Polen, Stricherhuren, Hausfrauen, Penner …
Er kam langsam in Fahrt und genoß es. Dem Clown würde er das Maul stopfen. Knallhart. Und keiner würde danach fragen. Mit dem Laden hier, dieser Drecksbude, war er sowieso fertig. Allgemeingefährlich war das, jawohl! Sah man ja! Schluß mußte sein. Und er, Jürgen Cenitza, würde dafür sorgen!
Wutentbrannt setzte er sich erneut in Bewegung.
»He, he! – Großer Bwana!« kicherte es ihm entgegen. »Was willste von kleinem Kanaken?«
»Kleiner Kanake? Bekifftes Arschloch … Von dir will ich jetzt nur eines: Ich will wissen, wie bist du reingekommen? Die Tür war zu. Na, los schon!«
Er wollte zuschlagen, schlug – doch mit einer leichten, fast tänzerischen Bewegung wich der andere aus. Nun sah Cenitza ihn genau: Mageres Gesicht, an die dreißig. Ganz miese Type, das sah man. Aber bekifft war der nicht.
»Die Bude ist zu, du Scheißer. Hier ist nichts mehr zu holen für schwule Pisser wie dich. Ist das klar? Na los, red schon!«
Aber es gab nichts zu reden. Nicht für Cenitza, nicht für den anderen. Es ging alles so blitzartig, so schattenhaft schnell, lief vor Cenitza ab wie ein verschwommener, aus einem
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