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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rio in den Wagen gestiegen, saß auf dem Beifahrersitz, lächelte wissend. Ja, Rio überkam ein ganz präzises Gefühl von Nähe. Und es war ihm nicht unheimlich dabei. Es war ja die Nähe eines Menschen, der es erlebt, erlitten und hinter sich gebracht hatte. Auch Dieter Reissner war sicher über die Straßen gerast, besessen von einem einzigen Gedanken: Ramm die Karre doch an den nächsten Baum, setz sie dort an den Brückenpfeiler. Doch für Reissner gab es noch eine Frau und ein Kind.
    »Warum, Dieter? Warum hast du das getan? Soll ich dir was sagen? Für mich war das der falsche Entschluß. Fehler können nicht nur schrecklich, sie können auch schrecklich dumm sein.«
    »Und was hättest du getan?«
    »Ich weiß es nicht, Dieter. Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Was weißt du dann?«
    »Nichts.«
    »Doch. Daß du Angst hast.«
    »Nicht mal das.«
    »Aber du hast sie ja! Und sie kommt wieder. Und sie fährt dir an die Gurgel … Sie zerquetscht dich. Und dann bist du nichts mehr. Nur eines weißt du dann noch: daß diese Welt ein Wahnsinn ist.«
    »Aber warum deine Frau?«
    »Wieso redest du nicht von meinem Kind? Warum redest du von ihr?«
    »Weil ich kein Kind habe.«
    »Also schön. Du hast kein Kind. Sei froh … Aber gerade weil du keines hast, wirst du mich auch nie begreifen können. Vielleicht hast du recht: Es war kein guter Abgang. Aber ich wollte mein Kind nicht allein lassen. Und nicht meine Frau. Ich wollte sie nicht in diesem Wahnsinn allein lassen. Und weißt du, was es mich gekostet hat …«
    Es gab keine Antwort darauf.
    Aber die Stimme wiederholte es: »Weißt du, was es mich gekostet hat? Weißt du das … Und was willst du unternehmen gegen den Gedanken: Du hast sie angesteckt. Du hast sie alle angesteckt … Sag mir doch, was willst du dagegen tun?«
    Die Autobahn. Und über dem Betonband wie eine durchsichtige Spiegelung Veras Gesicht. Vera, Vera!
    Kurven und Böschungen. Und wieder ein Wagen, der vor ihm auftauchte. Und wieder gehorchte der Porsche im letzten Moment.
    Rio raste weiter, nahm keine Sekunde den Fuß vom Gas. Der Motor sang. Und es war ein Lied von Haß, von tödlichem, mörderischem Haß …
    Olsen zog gerade seine alte Kamelhaarjacke an, als Rio das Chefredakteursbüro betrat. Er hatte Mühe damit. Rio half ihm und betrachtete wieder einmal den abgeschabten Kragen, die gleichfalls abgewetzten Ärmel. An die Ellbogen hatte sich der Dicke ovale Lederflecken aufnähen lassen. Er war zweimal geschieden, hatte vier Verlage hinter sich – er konnte sich von allem trennen, außer von seinen Klamotten. Die Jacke wie die breitsohligen, derben Schuhe kannte Rio so lange, wie er Olsen kannte.
    Der Chefredakteur drehte sich um und funkelte Rio aus blauen, in Fett gebetteten Augen an: »Hör mal, Rio, haben dir meine Mädchen nicht gesagt, daß ich weg muß? Rüber zum Süddeutschen Verlag. Und dort bin ich sowieso schon überfällig. Es geht um unsere VOX-Beteiligung. Der Laden geht ja unaufhaltsam den Bach runter – und damit unsere Millionen. Dieser alte Verrückte im sechsten Stock ist nicht mehr in die Reihe zu kriegen. Und da kommst du …«
    »Ja, da komm' ich …«
    »Na gut. Und wenn du schon kommst: Wo ist dein Manu?«
    »Das ist es ja – es gibt kein Manuskript mehr von mir.«
    »Was?!«
    »Es ist so, wie ich gesagt habe, Ewald.«
    Olsen stützte sich auf seinen Schreibtisch. Aus den beiden Schießscharten in seinem Gesicht wurden plötzlich kreisrunde Löcher, aus denen die helle Verzweiflung sprudelte. »Jetzt auch noch du? Anscheinend gibt's nur noch Verrückte in diesem Haus. Was heißt Haus – ein Saftladen ist das! Und was bezweckst du mit dem Quatsch? Soll ich es vielleicht noch selbst schreiben?«
    »Möller könnte das tun. Schließlich macht Möller sowieso die Medizin. In der Problematik kennt er sich aus. Und so schlecht schreibt er auch nicht.«
    Ewald Olsen holte tief Luft. Was er sagen wollte, schluckte er zunächst weg. Dann machte er wieder den Mund auf: »Sag mal, was ist mit dir los?«
    »Ich brauche Urlaub. Zehn, vierzehn Tage vielleicht. Und dann muß ich eine Entscheidung treffen …«
    »So? Nach deinem Urlaub wirst du eine Entscheidung treffen? Ist ja phantastisch! Ist ja wunderbar! Du hast diese ganze Scheiße angerührt, und jetzt willst du mich und das Blatt drin hocken lassen. Oder wie soll ich das sehen?«
    »Wie du willst …«
    »Wie du willst?«
    Anscheinend hatte Olsen nun Schwierigkeiten mit den Beinen, denn er zog sich seinen Chefsessel

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