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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zustoßen? Kannst du das erklären? Gleich wirst du erwachen – hier ist sie ja, deine Wirklichkeit: Vera, ihr Kopf, der auf dein Herz drückt. Vera … Und Aids? Aids – und du? Irrsinn …
    »Es ist noch nicht raus, Vera«, sagte er leise. »Aber es ist dieselbe Sendung, an der Reissner zugrunde gegangen ist. Er hat sich erschossen. Aber wahrscheinlich sah er sich schon tot …«
    »Hör auf.« Ihr Zeigefinger legte sich auf seine Lippen.
    Die nächsten Tage flossen an Rio vorüber, ohne Form und Gestalt anzunehmen. Nichts, das ihm in Erinnerung blieb.
    Vera wiederum lebte nach einer Art Drehbuch, und ihm folgte sie strikt. Der Inhalt ließ sich auf einen einzigen Satz reduzieren: Weitermachen, als sei nichts geschehen. Noch gab es keine Gewißheit. Und wenn das Schlimmste kam – ließ es sich ändern?
    »Hör mir endlich mal zu, Rio: Mein Großvater war vielleicht nichts als ein armseliger kleiner Pauker in einer schäbigen kleinen Schule in Niedersachsen. Aber er war ein großer Philosoph. Weißt du, was er sagte? ›Im Leben ist nur eines wichtig: Daß man es lebt‹ …«
    Sie erhielt keine Antwort.
    An diesem Morgen ließ er den Porsche in der Garage stehen und machte seine alte BMW wieder flott. Er stieg in den Sattel und ließ die Räder des Motorrades dorthin rollen, wo es der BMW gefiel. Nicht zur Autobahn, der Kurs ging über Parkwege, Landstraßen und schmale, vergessene Pfade an der Isar. ›Daß man das Leben lebt.‹ Wie denn, verdammt noch mal?
    Jeden Tag fuhr er nun los. Auch am Morgen des Donnerstags. Vera hörte, wie er das Garagentor hochzog, dann das Klicken, das ihr sagte, daß Rio die Raststütze des Motorrads einschlug und die Maschine startklar machte. Nun das Blubbern des Motors, das sich langsam entfernte …
    Sie trat vom Fenster zurück.
    Auf dem Fernsehschirm verbreitete sich ein Mann mit Stirnglatze und randloser Brille endlos über den Aufbau Ost. Vera schaltete ab. Sie überlegte, ob sie Dr. Herzog anrufen und sich anmelden sollte, ließ es sein, schloß das Haus ab, setzte sich in ihren alten Golf und fuhr zum Rosenheimer Platz.
    Sie fand das Haus, in dem sich die Praxis befand, sofort, stieg die Treppe hoch, stand vor einer ziemlich mitgenommenen Tür, auf der das Praxisschild angebracht war, und läutete.
    Niemand öffnete.
    Sie läutete wieder. Der Türöffner summte. Sie trat ein. Eine grauhaarige Frau saß an einem Schreibtisch und tippte auf ihrem Computer herum. Nun ließ sie die Hände in den Schoß sinken und drehte ihr den Kopf zu.
    »Ich hätte gern Herrn Dr. Herzog gesprochen.«
    »Herrn Doktor Herzog? Tut mir leid. Draußen auf dem Schild steht's doch: Die Sprechstunde beginnt erst in einer halben Stunde.«
    »Ist der Doktor denn da?«
    Die Frau verzog den Mund. Sie hatte nicht unfreundlich gesprochen, doch nun schien es ihr zuviel: »Ich sagte gerade ja schon …«
    »Hören Sie, ich bin eine Bekannte von Herrn Dr. Herzog.« Vera lächelte. Nie war ihr eine Lüge so einfach gefallen wie diese.
    »Ach so? Darf ich vielleicht Ihren Namen erfahren?«
    »Martin«, sagte Vera.
    »Martin?« Vielleicht täuschte sie sich, aber irgend etwas in der Haltung der Sprechstundenhilfe hatte sich geändert. »Oh, dann …«
    Vera spürte, wie Panik in ihr hochstieg. Wieso ›oh, dann‹? Ihre Glieder waren mit einem Mal sehr schwer. Sie rührte sich auch nicht, als die Frau ins Telefon sprach und dann am Ende des Korridors eine Tür aufflog und ein Mann auf sie zukam. Ein sehr großer, etwas vornübergebeugt gehender Mann in einem weißen Arztkittel. Er lächelte schon von weitem. Aber es war die Sorte von Lächeln, die jede Erklärung vorwegnahm. Er ging auf sie zu, sagte: »Frau Martin! Ich bin Jan Herzog. Kommen Sie doch bitte …«
    Sie gehorchte. Der Gang schien ihr unendlich weit. Und auch die Stimme, sie war so weit, so entfernt, diese Stimme, die sagte: »Setzen Sie sich doch bitte. Eigentlich habe ich Ihren Mann erwartet … Das heißt, er wollte ja morgen kommen.«
    Sie nickte. »Ich bin heute hier.«
    Er sah sie an – und nun wußte sie, warum Rio zu ihm gegangen war. Dies war ein Mann, dem man vertrauen konnte. »Herr Doktor! Ich wollte, ich konnte einfach nicht warten. Ich dachte, vielleicht haben Sie bereits ein Ergebnis.«
    Er nickte.
    »Und?«
    Er hatte beide Hände auf der Tischplatte liegen, und für einen Moment sah es so aus, als würde er aufstehen, um zu ihr zu gehen. Doch er blieb sitzen. Da waren nun die Augen, dieser unendlich traurige, mitfühlende

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